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Deutscher Botschafter Dr.Schaefer ueber die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China

2011-02-25
 

von Till Wöhler, Beijing

Mit 2011 soll das magische Dreieck aus Energie, Umwelt und Klima den Schwerpunkt der bilateralen Beziehungen bilden. Deutschland will China als Partner helfen, seiner Verantwortung gerecht zu werden und Respekt vor internationalen Spielregeln zu zeigen, sowie selbst neue Höhepunkte im gesellschaftlichen Dialog beider Völker bieten, so Deutschlands Botschafter Dr. Michael Schaefer im Gespräch mit China.org.cn. am 16.Maerz2011.


Botschafter Dr. Michael Schaefer (Foto von Zhang Yue)

China.org.cn: Herr Dr. Schaefer, ich freue mich Sie zu diesem Interview begrüßen zu dürfen. Es ist Januar, das neue Jahr ist noch ganz "frisch", daher ist jetzt vielleicht der beste Zeitpunkt für einen Rüchblick auf die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China im Jahr 2010.

Michael Schaefer: Zunächst vielen Dank und meine besten Wünsche zum neuen Jahr, zu unserem eigenen wie dem chinesischen Jahr des Hasen. 2010 war ein gutes Jahr für die deutsch-chinesischen Beziehungen in vielerlei Hinsicht.

Wir haben, glaube ich, eine ganz wichtige Strecke zurückgelegt bei der Bildung von Vertrauen zwischen unseren Regierungen. Wichtig dafür war der dichte Austausch von hochrangigen Besuchern, sowohl nach China wie aus China nach Deutschland. Wir hatten den Besuch des Bundespräsidenten im Mai, den der Bundeskanzlerin im Juli, der zu einem sehr wichtigen Kommuniqué mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao geführt hat. Ein Kommuniqué, dass unsere Beziehungen erstmals seit der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen im Jahre 1972 im Detail beschreibt. Im Mittelpunkt dieser „strategischen Partnerschaft" steht die Triade Energie-Umwelt-Klima. Damit machen wir sehr deutlich, mehr als zuvor, dass die deutsch-chinesische Partnerschaft nicht statisch, sondern dynamisch sein soll und ist. Wir werden in diese vorgenannten Zukunftsbereiche hinein die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren ausbauen.

Aus diesem Grund wurde gleichzeitig institutionell beschlossen, erstmals im Jahr 2011 Regierungskonsultationen unter Vorsitz beider Regierungschefs durchzuführen mit einer Anzahl von Kabinettsmitgliedern. Das heißt, auf einem sehr hohen Niveau und in einem sehr breiten Umfang, aber auch mit der erforderlichen, substanziellen Tiefe. Das ist neu in den Beziehungen, und die Bundesregierung macht dies nur mit wenigen ausgewählten Partnern.

Diese wichtigen Weichenstellungen sind dann ergänzt worden durch eine Fülle von ministriellen Besuchen im letzten Jahr, von einem sehr unerwarteten Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Meseberg letzten Herbst – dort befindet sich das Gästehaus der Bundesregierung –, wo er mit der Bundeskanzlerin zusammentraf anlässlich eines EU-China-Gipfels, bis hin zum sehr wichtigen Besuch des stellvertretenden chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang diesen Januar in Deutschland.

Diese wichtige Abfolge von Besuchen hat das Interesse beider Seiten unterstrichen, eben nicht nur formale Beziehungen zu haben, sondern solche, die in zentralen Bereichen – der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kultur, der Bildung – eine stärkere substanzielle Basis bekommen und ausgebaut werden sollen.

Ich glaube, wir haben deutlich gemacht, dass die politischen Beziehungen zwar die Basis sind für diese strategische Partnerschaft, diese aber ausgefüllt werden muss durch gesellschaftliche Kontakte. Hier, etwa im Bereich des wissenschaftlichen Austauschs, des Bildungsaustauschs, der kulturellen Beziehungen, haben wir enorme Projekte im letzten Jahr durchgeführt, die in China große Aufmerksamkeit bekommen haben. Ich erinnere hier nur an „Deutschland und China gemeinsam in Bewegung" oder den deutschen Auftritt bei der Expo in Shanghai.

Sie sprachen eben davon, dass Deutschland und China nicht nur wirtschaftliche Beziehungen pflegen und ausbauen, sondern dass jetzt auch vermehrt persönlichere Kontakte zwischen Spitzenpolitikern hergestellt werden. Li Keqiang war gerade vom 6. bis 9. Januar in Deutschland zu Besuch. Als stellvertretender chinesischer Ministerpräsidenten dürfte er in absehbarer Zeit ein politischer Partner Deutschlands werden. Wie sieht die deutsche Bundesregierung Li Keqiang – nicht nur als politischer Partner, sondern auch als Gegenüber?

Ich glaube, die Art der Wahrnehmung von Vizeministerpräsident Li in Berlin und in Deutschland insgesamt hat ja deutlich gemacht, welchen Stellenwert er als Politiker und auch als künftiger Partner haben wird.

Er ist zu Gesprächen mit dem Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, dem Vizekanzler und Außenminister, dem Bundeswirschaftsminister zusammengekommen. Er hat die Spitzen der deutschen Wirtschaft in einem Gespräch und bei einem großen Abendessen, bei dem er eine Grundsatzrede gehalten hat, getroffen. Er ist vom bayerischen Ministerpräsidenten und von Spitzenkräften der Wirtschaft in Bayern als sehr hochrangig wahrgenommen worden. Alles das zeigt, das man natürlich diesem Politiker, der der neuen Führungsgeneration angehört, größte Aufmerksamkeit schenkt.

Der Besuch war sehr gut, weil er Vertrauen geschaffen hat. Vertrauen ist die Münze, in der sich eine Partnerschaft mittel- und langfristig rechnet. Nur wenn beide Seiten ihren Partner kennen, ihm vertrauen und auf Basis dieser Politik dann auch konkret Projekte in Angriff nehmen, funktioniert eine solche Partnerschaft.

Spielt die Persönlichkeit von Herrn Li, nicht nur der Politiker, nicht auch eine wichtige Rolle beim Aufbau der Beziehungen?

Ich glaube, man kann in der Politik nie zwischen Funktion und Person trennen. Es ist nie ausschließlich die Funktion, sondern immer auch die Person, die diese Funktion ausfüllt, die letztlich dazu führt, dass es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommt. Natürlich ist es erforderlich, dass jemand, der eine Funktion innehat, auch den Willen und den Wunsch hat, selber eine solche Partnerschaft ernstzunehmen und auszubauen.

Das war bei Li Keqiang spürbar. Er sieht Deutschland als wichtigen Partner Chinas in Europa, er hat dies auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht. Aber es war auch die Weise, wie er Interesse an den Personen selbst gezeigt hat, und sich als sehr kommunikative und argumentative Persönlichkeit dargestellt hat. Ich glaube, dass die Begegnungen, von denen ich zuvor gesprochen habe, dieses Vertrauen, das zum Aufbau neuer persönlicher Beziehungen notwendig ist, geschaffen haben.

Lassen Sie uns einmal über das Thema Währung sprechen: Die europäischen Staaten haben 2001 den Euro als eine Gemeinschaftswährung eingeführt, auch um sich eine eigene, starke Position in der Welt als eine der großen globalen Währungen aufzubauen. Vielleicht auch als ein Gegengewicht zum Dollar. Dafür fand eine gewisse Aufwertung einiger Währungen statt. Nun steht China – wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen – unter hohem Druck, den Yuan aufzuwerten. Chinas Währung ist allerdings an den Dollar gebunden. Was glauben Sie, ist eine Lösung für China in dieser Frage?

Zunächst einmal muss man sagen: Durch die Folgen der fast historisch zu nennenden globalen Finanzkrise, von der die USA, Europa und auch Asien stark betroffen worden sind, hat es neue Denkanstöße dazu gegeben, wie dieses internationale Finanzsystem organisiert werden muss. Es steht außer Frage, dass künftig die großen Wirtschaftszonen, die die Realwirtschaft antreiben, also die EU, die USA, Asien – und hier an allererster Stelle China – im Zusammenspiel ihrer Währungen eine besondere Verantwortung tragen werden. Das hat auch die Diskussion der G20 im letzten Jahr deutlich gezeigt.

Die Eurozone geht durch die bekannten inneren Probleme, die Strukturprobleme sind und zeigen, dass sich die EU als Ganzes, also jeder der 27 Mitgliedsstaaten, den Herausforderungen der modernen, globalen Wirtschaft stellen muss. Dazu sind strukturelle Anpassungen notwendig. Diese sind schwierig und von einzelnen Staaten wie etwa Deutschland früher erledigt worden. Ich sage ausdrücklich, auch weil wir in Deutschland durch die Wiedervereinigung, das Zusammenschmelzen von alten und neuen Bundesländern, früher als andere gezwungen worden sind, strukturelle Änderungen in unserer Wirtschaft und Finanzwirtschaft vorzunehmen.

Das sind Prozesse, die in allen anderen Volkswirtschaften notwendig sein werden.

In China etwa hat man das erkannt. Hier wird dieser Strukturwandel in der eigenen Industrie nicht vorgenommen, weil man wie in Europa noch Belastungen aus den alten Strukturen hat, die man in den Griff bekommen muss, sondern weil man hier noch im Aufbauprozess ist. Und dieser wird von einer Wirtschaft verlangen, die im wesentlichen von Massenproduktion und Exporten, von einer nach außen gerichteten Wirtschaft, hin zu höherwertigen Wertschöpfungsketten kommen will und muss, die natürlich auch höherwertige Produktionsverfahren und damit industrielle Strukturanpassungsprozesse erfordern, wie wir das in Europa über viel längere Zeiträume erlebt haben und noch durchführen müssen.

Mit anderen Worten: Aus unterschiedlichen Gründen stehen wir mitten in einem Prozess des Strukturwandels.

Ich glaube, es ist einigermaßen objektiv, wenn ich sage, dass am Ende dieses Prozesses diese großen Wirtschaftsblöcke auch die wichtigen Spieler im internationalen Währungsverbund sein werden. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass der Euro sich nicht nur erholen, sondern sich zu einer stabilen Währung entwickeln kann und wird. Der politische Wille der großen Spieler, gerade Deutschlands, Frankreichs und auch Großbritanniens, ist da. Die USA werden einer dieser Schlüsselspieler bleiben. Der Dollar wird eine Schlüsselwährung auf absehbare Zeit bleiben.

Aber ich denke, dass mit der überaus dynamischen Wirtschaftsentwicklung in China der Renminbi mittelfristig in diese Gruppe der Leitwährungen aufsteigen muss und wird. Das erfordert einen Anpassungsprozess des Renminbi an die anderen Währungen in dem Maße, wie sich deren Realwirtschaften gegenüberstehen. Dass es da noch Disparitäten gibt, ist bekannt. In welcher Geschwindigkeit dieser Anpassungsprozess erfolgen wird, wird die chinesische Regierung mit Augenmaß zu entscheiden haben.

Wir sehen ja, dass Anpassungsmaßnahmen bereits in den Jahren 2006 bis 2008 erfolgt sind. Dann hat es in der Krise ein Anhalten dieses Anpassungsprozesses gegeben. Und seit etwa Mitte des letzten Jahres ist der Flexibilitätsmechanismus wieder in Gang gesetzt worden, was dazu geführt hat, dass der Yuan im Verhältnis zum Dollar im letzten halben Jahr um etwas mehr als drei Prozent aufgewertet worden ist. Ich glaube, dass das in den nächsten Jahren kontinuierlich so weiter gehen wird, und wir irgendwann zu einer Anpassung der Währungen an die realwirtschaftlichen Gewichte kommen werden. Das ist notwendig, damit die großen Witschaftsräume auch kompatibel sind in ihrem Austausch, der die nächsten Jahre und Jahrzehnte bestimmen wird.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich glaube, der Yuan wird zu einer der wichtigen Währungen im internationalen Währungskonzert werden. Und wir werden diese Anpassungsprozesse in den nächsten Jahren auf kontinuierlicher Basis erleben.

Ihr Szenario ist also, es wird mehrere Leitwährungen geben, und der Yuan wird langfristig keine solche Rolle spielen, wie es der Dollar einmal getan hat?

Also, es ist in einer globalisierten Wirtschaft, wie wir sie im 20. Jahrhundert nicht gehabt haben, schwer vorstellbar, dass es eine nationale Währung sein wird, die das internationale Wirtschaftsgeschehen bestimmen wird. Ich glaube schon, dass es – jedenfalls auf absehbare Zeit – ein Konzert mehrerer wichtiger Leitwährungen geben wird. Und dass neben Dollar und Euro eine weitere Währung wie der Yuan aufsteigen wird und sich zu einer Referenzwährung entwickeln könnte.

Ob andere Währungen wie etwa der japanische Yen in diesem Konzert mitspielen können, ist eine Frage der realwirtschaftlichen Entwicklung. Es wäre aber völlig verfrüht, zu prognostizieren, dass sich die internationale Währungslandschaft hin auf nur eine neue Leitwähhrung entwickeln wird. Dafür sehe ich derzeit keine Anhaltspunkte.

Chinas Präsident Hu Jintao hatte ja bereits im Vorfeld seiner USA-Reise gesagt, dass es gegebenenfalls auch noch ein langer Weg bis dahin wäre, falls der Renminbi eine Leitwährung würde. Insofern möchte ich jetzt einmal die Frage nach möglichen großen Regionalwährungen für bestimmte Wirtschaftsräume stellen. Sollte Asien auch, wie die Eurozone, eine einheitliche Währung haben?

Das ist eine Frage, die die asiatischen Regierungen selber entscheiden müssen im Lichte ihrer wirtschafts- und finanzpolitischen Verflechtungen. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir einen Integrationsprozess in der Europäischen Union gehabt haben, der vierzig Jahre gedauert hat. Das heißt, die europäischen Staaten haben durch einen Souveränitätsverzicht bestimmte Kompetenzen abgegeben an die Europäische Union. Dadurch wurde ermöglicht, dass ein großer Wirtschaftsraum mit Freizügigkeit bei Gütern, Menschen, Dienstleistungen überhaupt ermöglicht worden ist. Das war die Voraussetzung dafür, dass es zu einer Gemeinschaftswährung gekommen ist. Wir diskutieren derzeit zu Recht in Europa, ob nicht ebenfalls die Wirtschafts- und Finanzpolitik angepasst und europäisch werden muss. Ein Prozess, der in den nächsten Jahren intensiver diskutiert werden wird.

Das alles zeigt, welche Voraussetzungen etwa innerhalb einer asiatischen Gruppierung geschaffen werden müssten. Und ich spreche gar keine einzelne Gruppierung an, weil diesen Grad der Integration bisher außer ASEAN im Wirtschaftsbereich keine der asiatischen Organisationen erreicht hat. Das ist auch eine Frage des politischen Willens, und hier wird niemand aus Europa den asiatischen Partnern irgendwelche Vorschläge machen. Das muss sich aus dem politischen Willen der handelnden Regierungen in Asien ergeben. Ich schließe nicht aus, dass es mittel- und langfristig solche Überlegungen geben könnte, aber ehrlich gesagt, sehe ich gegenwärtig keine ernsthaften Ansätze, damit es zu einer solchen Konsolidierung mit der damit verbundenen Integration in Asien kommen wird.

Also, Sie meinen, es wäre noch ein langer Weg bis dahin?

Das denke ich in jedem Fall. Wenn das überhaupt ein Ziel der asiatischen Staaten sein wird. Das scheint mir noch ganz offen zu sein.


Journalist Till Wöhler und Botschafter Dr. Michael Schaefer (Foto von Zhang Yue)

Sie sagten am Anfang unseres Gesprächs, dass in der "strategischen Partnerschaft" zwischen China und Deutschland drei Themen die Hauptrolle spielen. Energie, Umwelt und Klima. Sie selbst leben und arbeiten seit ein paar Jahren in China. Konnten Sie persönlich eine Verbesserung der Umweltbedingungen durch bessere Schutzmaßnahmen spüren?

Ich glaube, jeder von uns, der in Beijing lebt, hat sehr augenscheinlich erlebt, wie sich die Luft in dieser mittlerweile 19 Millionen Einwohner zählenden Stadt verändert hat, von der Zeit vor den Olympischen Spielen bis jetzt. Beijing hat immer noch nicht die Luftqualität von Berlin, was am ungeheuren Verkehrsaufkommen liegt, das täglich um mehrere tausend Fahrzeuge zunimmt. Aber es ist deutlich geworden, dass die Stadt Beijing substanzielle Maßnahmen unternommen hat, um sein schwerwiegendes Umweltproblem ein bisschen besser in den Griff zu kriegen.

Das, was in der Hauptstadt passiert, scheint mir repräsentativ zu sein für ein Umdenken, das ich in der Zentralregierung und in vielen Teilen Chinas feststellen kann.

Ich glaube, es gibt ein neues Bewusstsein, dass es im eigenen wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Interesse liegt, eine neue Form von Umweltpolitik zu betreiben, eine grüne Wirtschaft aufzubauen, und mit substanziellen Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden beizutragen, wie wir sie in den letzten 20 Jahren überall in China gesehen haben: Die Vergiftung der Luft, des Wassers und des Bodens, mit schwerwiegenden Folgen, die ja auch volkswirtschaftliche Folgekosten nach sich ziehen. Die Kosten von Umweltschäden sind wirtschaftspolitisch größer – das hat man erkannt – als der massive Einsatz von Investitionsmitteln für eine nachhaltige Wirtschaft.

Das heißt, dass die chinesische Zentralregierung entschieden hat, nicht etwa nur einen Bereich umweltpolitisch zu aktivieren, etwa die Reduktion von Emissionen durch einen Abbau von Kohlekraftwerken, sondern durch eine breit angelegte Politik der Energieeinsparung, der Energieeffizienz, der schrittweisen Veränderung des Energiemixes, weg von fossilen hin zu regenerativen Energieträgern, sprich die ganze Bandbreite wirtschaftlicher Aktivität neu zu definieren und auf eine umweltfreundlichere Grundlage zu stellen.

Ein Beispiel: Die beiden wichtigsten Emittäre von CO2 sind Fahrzeuge und Gebäude. Bei den Fahrzeugen ist ein ganz deutlicher Trend erkennbar hin zu neuen Antriebstechnologien wie Hybridmotoren bis hin zu elektrobetriebenen Autos, die – wenigstens in den urbanen Zentren – für weniger Luftverschmutzung sorgen. Das wird eine Revolution auf dem Automobilmarkt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten geben.

Ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft des urbanen Verkehrs in der Elektromobilität liegt, und das heißt nicht nur Autos, sondern dass man eine vernetzte Elektromobilität anstrebt, in der öffentliche Verkehrsmittel und Taxis das Gros des städtischen Verkehrs ausmachen, aber auch alte benzinbetriebene Fahrzeuge weiter nutzt mit Mischtechnologien. Ergänzt durch Hochgeschwindigkeitszüge, die die urbanen Zentren miteinander verbinden werden. China wird bis 2020 die heutige Zahl dieser Züge verdoppeln und damit weltweit das größte Streckennetz dieser Art haben.

Gebündelt werden diese Maßnahmen beim Thema Mobilität zu einer Reduktion von Emissionen in Chinas Städten führen. Aber das wäre nicht genug. Denn dann stellt sich die Frage, wie der Strom erzeugt wird, und ob dadurch wieder Emissionen enstehen. Auch wenn diese an die Peripherie der Städte verlegt werden, werden sie dennoch in den Äther geschickt.

Hier sehe ich eine deutliche Verpflichtung, die Entwicklung weg von fossilen hin zu regenerativen Energieträgern wie Wind, Solar, Wasser – ganz wichtig in China –, Biogas und ähnliche umzusetzen. Das ist ein langwieriger Prozess und sehr kostspielig, weil nach wie vor einige regenerative Energieträger teuer sind und sich so etwas noch im Markt durchsetzen muss.

Ein anderes Problem ist die Verteilung. Nehmen wir einmal an, ich produziere in Gansu Wind und muss die Energie durch aufwändige Verteilersysteme dorthin bringen, wo Menschen leben und wo die Industrie aktiv ist. Das heißt dann, ich brauche nicht nur neue Energieträger, sondern auch intelligente Verteilersysteme, Smart Grids nennt man das heute, die die Arbeit der Verteilung so effizient erledigen, dass man zum Zeitpunkt der Nutzung genügend Energie im Speicher hat, die man dann einsetzen kann. Ein hochkomplizierter Prozess, der nicht über Nacht umgesetzt wird. Deshalb wird es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis dieser Energiemix und alle damit verbundenen technologischen Entwicklungen wirklich arbeitsfähig sind.

Das Ziel, das ich in China immer wieder höre, bis 2030 einen Anteil von mehr als dreißig Prozent an regenerativen Energien zu haben, kann realistisch sein.

Ein anderer Bereich, der vielleicht noch wichtiger ist, ist die Energieeffizienz. Es geht um das Energiesparen da, wo sie notwendigerweise eingesetzt wird. Der Bereich, wo das am meisten in China passiert, ist das Bauen öffentlicher und privater Gebäude. In den letzten 20 Jahren ist unendlich viel gebaut worden. Man muss sich hier nur mal umschauen, überall sind Baukräne.

In den nächsten 15 Jahren wird in China möglicherweise nochmal doppelt so viel gebaut werden wie in den letzten 20 Jahren. Wenn alle diese Gebäude mit den Standards und Technologien, die heute schon energieeffizientes Bauen ermöglicht, gebaut würden, könnte man bis zu 45 Prozent der Energie sparen, die man heute beim Betreiben der Gebäude aus den 80er und 90er Jahren in China verbraucht.

Mit anderen Worten: Dies ist eine Herausforderung an die Politik, die Standards aufstellen muss und dann dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden.

Das Herstellen von Baustoffen und das Bauen selbst verursachen ja auch viele Emissionen. Nun will China ja nicht nur seinen Energiemix langsam anpassen, sondern hat neben vielen Herausforderungen auch das erklärte Ziel, Westchina zu entwickeln. Die ost- und südchinesischen Metropolen haben sich in den letzten 20 bis 30 Jahren rapide entwickelt, was auch mit einer Migrationsentwicklung verbunden war und ist. Nun hat man erkannt, dass man auch die westlichen Regionen Chinas aufbauen und fördern muss. Solch eine Entwicklung wird über kurz oder lang auch wiederum zu mehr Bautätigkeit und Stromverbrauch führen. Wie kann China diesen Widerspruch zwischen Entwicklung und Umweltschutz angehen?

Dieser Prozess, den Sie beschreiben, wird so eintreten. Meines Erachtens über Zentralchina nach Westchina. Und dort wird es dann Schwerpunkte geben, wie es bereits heute Zentren gibt in Chongqing und Chengdu, oder Nanning im Südwesten. Das sind Prozesse, die bereits im Gange sind.

Ich glaube, das zeigt deutlich, dass es nach Auffassung der Zentralregierung und auch der Provinzregierungen notwendig sein wird zu verhindern, dass es noch größere Konglomerate als bisher in den östlichen und nordöstlichen Metropolen gibt. Es kann nicht sein, dass wir irgendwann Städte mit 50 oder 60 Millionen Einwohnern haben. Chongqing ist ein Beispiel mit bereits zwischen 33 und 39 Millionen Menschen.

Es müssen Konglomerate gebaut werden, die in ihrer Enstehung bereits die Balance zwischen dem Bedarf an Arbeitsplätzen in Industrie und Dienstleistungen und gleichzeitig dem Bedürfnis des Menschen nach leicht erreichbaren Naherholungsgebieten anbieten.

Das geht natürlich leichter, wenn man in den Regionen, die sich entwickeln wollen und sollen, von vorneherein ein städteplanerisches Konzept anlegt, das dieses Gleichgewicht in den Mittelpunkt stellt. Ich bin ziemlich beeindruckt, immer wieder festzustellen, dass gerade auch in den neuen Metropolen in der Inneren Mongolei, Qinghai oder in Gansu bereits ein hohes Maß an Naherholung in die urbanen Zentren nicht nur hineingedacht, sondern bereits auch umgesetzt wird. Das zeigt, dass man bereits gedanklich verstanden hat, dass ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie notwendig ist.

In der Theorie ist das leicht gesagt, aber in der Praxis gibt es immer wieder die Versuchung, durch das Vernachlässigen von Umweltstandards Geld zu sparen und in den Aufbau von Wirtschaftsunternehmen oder auch -zonen zu stecken, die dann später in erheblichem Maße zur Umweltverschmutzung oder -gefährdung beitragen.

Hier ist die Politik gefragt. Dies ist eine Aufgabe sowohl der Zentralregierung, aber auch vor allem der Provinz- und Kommunalregierungen. Diese müssen die Umweltgesetze Chinas, die guten, internationalen Maßstäben schon entsprechen, auch herunter dividieren auf die Basis. Es ist notwendig, dass aufgestellte Standards auch tatsächlich in die Planung einfließen und kontrolliert werden in ihrer Umsetzung.

Das Problem Korruption, dass in China derzeit sehr aktiv diskutiert wird, das auch Gegenstand eines Weißbuches gewesen ist, ist eines, das gerade an dieser Schnittstelle von erheblicher Bedeutung ist. Deshalb verstehe ich auch, dass die politisch Verantwortlichen sagen "Hier muss mit allen rechtlichen Mitteln gegen Korruption vorgegangen werden." Denn die Schäden einer Vernachlässigung dieser balancierten Politik und des Beachtens von Standards, die notwendig sind, um dieses Gleichgewicht [zwischen Ökonomie und Ökologie] herzustellen, würden zu verheerenden Auswirkungen führen in Chinas künftigen Wachstumsregionen.

Das ist also eine Chance für China, weil man lernen kann aus den Fehlern, die man an der Ostküste oder in Guangdong gemacht hat bei der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung. Das sind übrigens auch Fehler, die wir in Europa und Deutschland im Zuge der Industrialisierung gemacht haben.

Deshalb ist es auch immer ein Interesse unserer chinesischen Partner, zu schauen, wie das Ruhrgebiet aussah in den 1950er bis 1970er Jahren, und was sich daraus bis heute entwickelt hat. Das ist eine ganz spannende Diskussion, die wir in Liaoning in Gesprächen mit der Regierung in Shenyang eingebracht haben, weil man dort auch einen industriellen Strukturwandel vor sich hat und lernen will, wie andere mit diesen Problemen umgegangen sind.

Ich glaube also, es ist eine Riesenchance, nämlich das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Entwicklungskonzeptes, das sowohl die wirtschaftliche, als auch eine nachhaltige, sprich umweltbewusste Entwicklung miteinander vereinbart. Das kann zu vorbildlichen Prozessen bei der Entwicklung neuer urbaner Zentren führen. Aber da steht China noch vor gewaltigen Herausforderungen.

Wie sehen Sie denn die Verantwortung Chinas im Bereich Umweltschutz? China muss viele Herausforderungen gleichzeitig meistern. Viele Länder wollen in China weiterhin produzieren. Wird China – global betrachtet – eine zu große Verantwortung zugewiesen in Sachen Umweltverschmutzung?

Also zunächst mal glaube ich, dass niemand China global eine zu große Verantwortung zuweist. Ich glaube, dass China große Verantwortung hat. Und ich glaube, dass China als ein neuer großer Spieler in der internationalen Staatengemeinschaft sich graduell diesen Verpflichtungen stellt.

Das ist ein Prozess, in den man hineinwachsen muss. China hat in nur 20 Jahren einen Sprung in der wirtschaftlichen Entwicklung, für den andere Länder 100 Jahre gebraucht haben. Das dadurch auch die negative Seite industrieller Entwicklung wie zum Beispiel die Luftverschmutzung ein großes Problem geworden ist, hat man hier auch erkannt.

Ich denke, man stellt sich dieser Verantwortung. Die Maßnahmen, die die chinesische Regierung beschlossen hat, die auch Teil des Zwölften Fünfjahresplans werden sollen, wie wir mit Interesse gehört haben, zeigen deutlich, dass man national die Weichen gestellt hat, um diesen Verpflichtungen, die auch international formuliert werden, gerecht zu werden.

Nun besteht die internationale Gemeinschaft aus vielen Spielern. China zählt wie die USA oder Europa zu den großen Spielern. China ist heute der größte Luftverschmutzer, gefolgt von den USA. Durch diese faktische Verantwortung, die man durch die industrielle Entwicklung hat, ist es im besonderen Maße gefordert, international und konstruktiv mit den anderen Partnern nach Lösungen zu suchen. Gerade [die Klimakonferenz in] Cancun vor einigen Wochen hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

China hat gemeinsam mit anderen Schwellenländern deutlich gemacht, dass man auf der Basis des Prinzips "Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung" durchaus bereit ist, seinen Teil zu tragen. Wichtig ist zwar, dass die industrialisierte Welt anerkennt, dass die Schwellenländer und natürlich China ein Recht haben, sich wirtschaftlich weiter zu entwickeln. Das wird auch von niemandem infrage gestellt.

Aber gleichzeitig hat ein sich wirtschaftlich dynamisch entwickelndes Land die Verpflichtung, alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Schaden, der durch diese Entwicklung entsteht, zu minimieren.

Das sind die beiden Konvergenzprozesse, die in den nächsten Jahren das Problem bestimmen werden. Auf der einen Seite die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die zu immer mehr Energieverbrauch führen wird; gleichzeitig der Versuch, diesen Energieverbrauch zu reduzieren durch Energieeinsparung, -effizienz und alternative, regenerative Energien. Das wird dazu führen, dass man irgendwann in absoluten Zahlen den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß wird senken können.

Ich glaube, dass der politische Wille, diesen Prozess möglichst zu beschleunigen, da ist. Dass China alles tun wird, was es national tun kann, um solche Ergebnisse zu erzielen. Aber ich würde mir auch wünschen, dass China dies deutlich macht, dass es sich einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag anschließt. Dieser muss meines Erachtens den Rahmen bilden, in dem Länder wie China, Indien, Brasilien oder andere Schwellenländer dann das national Mögliche leisten.

Eine Selbstverpflichtung, glaube ich, die ihren Ausdruck dann auch in einem Vertragsinstrument findet, ist vertrauensbildend und deshalb notwendig. Ich bin zuversichtlich, dass das im Hinblick auf die nächste große UNFCC-Konferenz in Durban im Dezember 2011 gelingen kann, wenn alle Parteien entsprechende Schritte aufeinander zu machen.

China hat diesbezüglich seinen politischen Willen im Zwölften Fünfjahresplan festgeschrieben. Es gilt damit als eine nationale Priorität. Aber China sagt auch: Die westlichen Industrienationen verfügen über die Technologien, mit der wir das schaffen können.Viel schneller als aus eigener Kraft. Es geht also um die Frage des Technologie- oder Wissenstransfers.

Vor kurzem wurde der Preis für die Internationale Technik- und Wissenschaftskooperation der VR China verliehen – auch an drei deutsche Wissenschaftler, neben einem Astrophysiker und einem Baustoffexperten auch der ehemalige Bundesumweltminister Professor Klaus Töpfer.

Aus Chinas Sicht stellt sich die Frage: Inwieweit sind die westlichen Industrienationen bereit, diesen Technologieexport zu leisten beziehungsweise das nötige Wissen mit China und anderen Schwellenländern zu teilen, damit diese Länder ihre notwendigen, strukturellen Anpassungen schneller und besser schaffen können?

Ich glaube, die Geschichte der letzten 20 Jahre hat ja deutlich gezeigt, dass China, was seine eigene Entwicklung angeht, vom Technologieimport aus den industrialisierten Ländern weitgehend abhängig ist. Das wird sich in den nächsten Jahren ein bisschen verringern, weil China selbst beginnt, Technologien zu entwickeln, zu einem Technologiespieler zu werden, selbst eigene Technologie in bestimmten Kernbereichen in den Weltmarkt einzubringen.

Der zweite Punkt ist: Die Europäische Union und hier insbesondere Deutschland waren diejenigen, die in den letzten 20 Jahren mit Abstand die meiste Technologie nach China exportiert haben. Nicht zuletzt deshalb genießt die deutsche Wirtschaft ein hohes Ansehen in China. Diese Technologie ist in allen relevanten Wirtschaftssektoren transferiert worden. Insbesondere auch im Energiesektor, und hier in den Bereichen, die wir schon angesprochen haben, also Automotive oder Wohnungsbau, bei denen moderne Technologien wie Isolierung und Wärmedämmung ganz entscheidend für energieeffizientere Verfahren sind. Das bedeutet, dass China bereits in den letzten Jahren davon profitiert hat und das bereits passiert ist, was China zu Recht von der internationalen Staatengemeinschaft erwartet und wünscht.

Dieser Prozess des Technologietransfers wird meines Erachtens in den nächsten Jahren weitergehen. Klar ist dabei, dass das auf freiwilliger Basis passieren muss. Es darf nicht durch vertragliche Klauseln eine Form von erzwungenem Technologietransfer stattfinden.

Das ist keinem Unternehmen zumutbar, und unter solchen Prämissen wird es auch keinen Technologietransfer aus Deutschland geben. Aber unsere Unternehmen haben ja zu Hunderten bewiesen, dass sie bereit sind, Technologie in den chinesischen Markt zu bringen.

Auf der Basis von Freiwilligkeit und eines ausreichenden Schutzes des geistigen Eigentums, das in diesen Technologien der Kernbestandteil ist, wird dieser Prozess substanziell weitergehen.

Geistiges Eigentum ist die Voraussetzung für die Entwicklung hin zu einer innovativen Gesellschaft. Und China spürt das inzwischen selbst. Früher fanden Gerichtsverfahren wegen der Verletzung des geistigen Eigentums zwischen einem chinesischen und einem ausländischen Partner statt. Heute sind in China neun von zehn Gerichtsverfahren im Bereich IPR [Intellectual Property Rights] bereits eine Sache zwischen chinesischen Firmen. Der Schutz des geistigen Eigentums ist damit auch ein chinesisches Problem geworden.

Ein mittelständischer Unternehmer ist auf Wohl und Wehe darauf angewiesen, dass seine Kernkompetenzen, dass was an innovativem Kerngehalt in dem Produkt steckt, geschützt bleibt. Da darf nicht irgendeiner, der dieses Produkt nimmt, sozusagen den Kern davon nehmen und es zu einem angeblich eigenen Produkt machen. Das sind internationale Spielregeln.

Ich bin zuversichtlich, wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre anschaue, dass das Problem a) erkannt ist, b) gesetzlich auf guter Basis vorangebracht worden ist und jetzt der konsequenten Umsetzung in der Praxis bedarf.

Auch hier ist wieder konsequentes Verwaltungshandeln erforderlich. Dort, wo es Verstöße gegen den Schutz geistigen Eigentums gibt, müssen sie geahndet werden. Das führt, ob es sich nun um chinesische oder europäische Produkte handelt, zu dem notwendigen Vertrauen. Wenn das da ist, wird es Technologietransfer geben.

Insgesamt haben wir als Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Wirtschaft überhaupt kein Problem, mit neuen Technologien nach China zu kommen. Wir haben gute Erfahrungen gemacht, wenn man die ganze Bandbreite der deutschen Wirtschaft sieht. Aber es ist notwendig, dass sich beide Seiten bewusst sind, dass wir arbeiten müssen an den Einzelfällen, in denen zum Beispiel gegen den Schutz des Eigentums oder bei Vertragsverhandlungen gegen das Prinzip der Freiwilligkeit des Technologietransfers verstoßen wird. Unter den genannten Prämissen sehe ich einen breiten Raum an technologischer Zusammenarbeit.


Botschafter Dr. Michael Schaefer (Foto von Zhang Yue)

Ich möchte Sie zum Schluss einmal bitten, einen Ausblick für 2011 zu geben auf die gemeinsamen Beziehungen zwischen Deutschland und China in den Bereichen, die Sie in unserem Gespräch genannt haben. Was sind die Prioritäten Deutschlands und was wollen Sie persönlich als deutscher Botschafter in China tun?

Wir stehen vor einem sehr aktiven Jahr. 2011 wird nicht nur eine Fortsetzung, sondern, wie ich am Anfang angedeutet habe, neue Höhepunkte im Austausch zwischen unseren beiden Ländern sehen. Politischer Höhepunkt werden die Regierungskonsultationen im Juli sein, die durch Fachminister vorbereitet werden. Wir werden versuchen, das, was im gemeinsamen Kommuniqué vom Juli letzten Jahres vereinbart worden ist, jetzt auch umzusetzen in praktische Politik. Und hier – wir haben ja schon die wesentlichen wirtschaftlichen Bereiche genannt –, wird es ganz konkrete Schritte im Hinblick auf Zusammenarbeit geben.

Neben dem Wirtschaftsbereich werde ich persönlich ein großes Interesse daran haben, die kulturelle Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern zu stärken, und auch die Bildungs- und Wissenschaftskooperation zu vertiefen. Im kulturellen Bereich haben wir ein großes Projekt vor. Wir werden im April als erste große Ausstellung im Nationalmuseum Chinas, das Ende März wieder eröffnet wird, eine Auswahl deutscher Kunst präsentieren.

Das ist die größte Ausstellung, die Deutschland je im Ausland gezeigt hat, und zwar zum Thema ‚Die Kunst der Aufklärung'. Ein wunderbares Thema, das die europäische Geistesgeschichte wie auch die gesellschaftliche Entwicklung vor 150 Jahren neu bestimmt hat.

Es wird auch darum gehen, diese Ausstellung zum Gegenstand zu nehmen, um einen Dialog zwischen vor allem der jüngeren Generation in China mit deutschen Gesprächspartnern zu organisieren. Ein Dialog über Themen, die sich aus dieser Ausstellung ergeben.

Die Aufklärung war geistesgeschichtlich der Nährboden für die moderne gesellschaftspolitische, europäische Entwicklung. Die Fragen werden also sein: Warum hat sich Europa auf dem Boden der Aufklärung so entwickelt, wie wir uns entwickelt haben? Warum hat die gesellschaftliche Entwicklung in China eine andere Richtung genommen? Ich glaube, das sind spannende Themen, die sich ergeben werden.

Wir hoffen, dass wir die Ausstellung, die ein Jahr im Nationalmuseum sein wird, begleiten werden durch einen Dialogprozess, der ebenfalls zwölf Monate in Form von großen öffentlichen Foren, von kleineren Begegnungen, Dialogen mit Kunsthistorikern, mit Philosophen, mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern dauern soll. Wir hoffen also, dass das zu einem offenen Dialog führen kann, der insgesamt gesehen dann auch das gegenseitige Verständnis verbessert und vertieft.

Ich glaube, Partnerschaft beruht ganz wesentlich auch darauf, dass man den Partner kennt, dass man seine Geschichte kennt, auch seine Geistesgeschichte; dass man weiß, welches die wesentlichen Antriebskräfte für die Gesellschaft sind. Und ich verspreche mir davon, dass wir durch diesen Dialog mehr lernen übereinander. Das wird sicher einen ganz neuen, wichtigen Wert darstellen für die Partnerschaft auch im Nichtregierungsbereich.

Wir werden dann versuchen, im Bereich der Bildung, der Wissenschaft aufzubauen auf den zahllosen Partnerschaften, die es bereits gibt.

Wir wollen unter dem Arbeitstitel "Deutsch-Chinesische Zukunftsbrücke" ein Netzwerk bauen von jungen Führungseliten. Wir wollen junge Leute im Alter zwischen 25 und 35 Jahren, die etwa in Wirtschaft, Kultur, Bildung und Politik herausragend sind, zusammenbringen in Form von sogenannten Sommerschulen, und dazu beitragen, dass gerade die junge Generation auf beiden Seiten sich besser kennenlernt. Damit wollen wir dazu beitragen, dass in den nächsten zehn, zwanzig oder dreißig Jahren ein Netzwerk von Kontakten entsteht, dass die Kooperation unserer Länder weitertragen kann.

Das sind zwei tolle Projekte, für die ich mich persönlich sehr, sehr einsetze, und von denen ich mir eine qualitative Vertiefung unserer Partnerschaft verspreche.

Herr Dr. Schaefer, vielen Dank für das Gespräch.

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