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Jetzt peilt China die Weltspitze an

2010-08-19
  von Finn Mayer-Kuckuk

Bei der Wirtschaftskraft hat China bereits Japan überholt. Nun setzt das Reich der Mitte zum Angriff auf die Spitze an. Experten von Goldman Sachs oder der Weltbank meinen: Bis zum Jahr 2025 zieht das Entwicklungsland auch an den USA vorbei. Doch Probleme wie die Ungleichverteilung der Entwicklung oder die schlechte Umweltbilanz trüben das Bild.

Arbeiter in der Provinz Sezuan: Grund des Erfolgs ist die schiere Größe Chinas.

PEKING. Kaum hat Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) das des Nachbarlandes Japan übertroffen, da blicken Ökonomen schon auf die nächste Rekordmarke: Wann schiebt sich das Reich der Mitte an die Weltspitze? Die Mehrheit der Beobachter gibt auf diese Frage eine klare Antwort: Spätestens 2025 wird China auch die USA übertreffen, prophezeien die Experten von Goldman Sachs, Pricewaterhouse-Coopers (PWC), der Deutschen Bank und der Weltbank. Bis 2030 werde das Land den USA sogar "weit voraus sein", schätzt PWC-Chefökonom John Hawksworth.

Das Geheimnis des Erfolges ist die Größe Chinas, das eher einem Kontinent ähnelt als einem einzelnen Land. Die Volksrepublik hat heute knapp dreimal mehr Einwohner als die EU und gut viermal mehr als die USA. Pro Kopf müsste das Reich der Mitte nur ein Viertel der amerikanischen Wirtschaftsleistung erbringen, um sich die Krone der größten Volkswirtschaft aufsetzen zu können. Auch den aktuellen zweiten Platz hat es mit einem viel geringeren Pro-Kopf Aufkommen errungen als die Konkurrenz: Die Wirtschaftsleistung je Einwohner liegt in China derzeit bei 2 600 Euro pro Jahr, in Deutschland bei 28 800 Euro. Der weltweite Durchschnitt beträgt rund 6 700 Euro.

China selbst nimmt die Silbermedaille daher mit gemischten Gefühlen entgegen. Aus der örtlichen Presse spricht Stolz über das Erreichte und der Ehrgeiz, die höchste Stufe des Siegertreppchens zu erreichen. Doch gerade die Staatsmedien mahnen auch zur Zurückhaltung. "China bleibt unverändert ein Entwicklungsland", titelt die Nachrichtenagentur "Neues China". Das Vorrücken in der Weltrangliste verführe zu der Annahme, dass das eigene Land schon zu den Industrieländern gehöre, mahnt ein Kommentator. Dabei stünden der weiteren Entwicklung erhebliche Probleme entgegen.

Nach den USA die meisten Milliardäre

 

Das Hauptproblem sehen die Chinesen selbst in der derzeitigen Schieflage der Entwicklung. Während in dem Land bereits die meisten Milliardäre nach den USA wohnen, leben zugleich noch 150 Mio. Menschen unter der Uno-Armutsgrenze. Das Wachstum stützt sich stark auf Industrieproduktion und Export. Die Umweltbilanz sieht im Vergleich zu den entwickelten Ländern sehr schlecht aus - die Produktion etwa verbraucht deutlich mehr Energie als in Deutschland. Kurz: "Die Qualität der Wirtschaft lässt sich noch nicht mit der des Westens vergleichen", wie ein chinesischer Kommentator schreibt.

Doch gerade der geringe Entwicklungsstand spiegelt die Chance wieder. Ende der 80er-Jahre gab es bereits Prognosen, die einer asiatischen Volkswirtschaft den Vorstoß zur Nummer eins vorhersagten - damals aber bezogen sie sich auf Japan. Analysten des Wertpapierhauses Nomura hatten die Wachstumskurven auf dem Papier verlängert und dann verkündet, dass Japan die USA im Jahr 2010 einholen werde. Die geringere Bevölkerungszahl würde durch eine höhere Produktivität ausgeglichen, lautete die Begründung. Die Ökonomen hatten nicht gesehen, dass die Wirtschaft von einer Immobilienblase getrieben war.

Pro-Kopf Einkommen viel niedriger

 

Ihr Irrtum sollte jedoch die aktuellen China-Prognosen nicht entwerten. Die für den Spitzenplatz nötige Verdreifachung des Bruttoinlandprodukts halten die Planer in Peking für durchaus machbar - und zumindest in den vergangenen dreißig Jahren lagen sie mit ihren Annahmen ziemlich richtig. Auf dem Lande entstehe gerade erst eine moderne Infrastruktur, die die Grundlagen für weiteres Wachstum schafft, sagen die Pekinger Berufsoptimisten. Unterm Strich spricht vieles für einen weiteren glatten Aufschwung in China, vieles aber auch dagegen. Zu den größten Optimisten gehört der Hongkonger Ökonom Ma Jun von der Deutschen Bank, der den großen Augenblick in den frühen 2020er-Jahren verortet. Auch Hawksworth von PWC hält dies für möglich. Niemand nimmt jedoch an, dass Chinas Wirtschaftsleistung die der etablierten Industrieländer in überschaubarer Zeit auch pro Kopf überholt.

(Quelle:Handelsblatt,18.08.2010)

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