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Merkel und Hu sind das mächtigste Paar der Welt

2010-11-15

Gemeinsam mit dem chinesischen Präsidenten hat sich die Kanzlerin in Seoul ausgerechnet gegen Barack Obama durchgesetzt.

Als die mächtigste Frau der Welt gilt Angela Merkel– das hat sie seit 2006 sogar schriftlich, als das amerikanische „Forbes"-Magazin sie an die Spitze seiner legendären Liste setzte. Und der mächtigste Mann der Welt ist neuerdings Hu Jintao: Der chinesische Präsident verdrängte seinen amerikanischen Kollegen Barack Obama in den Augen der Magazinmacher in diesem Jahr zum ersten Mal vom begehrten Spitzenplatz.

Nur eine journalistische Spielerei? Sicher, doch in dieser Woche konnte die Staats- und Regierungschef der wichtigsten Länder bei ihrem Treffen auf dem G-20-Gipfel erleben, was geschieht, wenn die mächtigste Frau und der mächtigste Mann der Welt sich einig sind: Dann bestimmen die beiden die Richtung. Schmerzhaft musste das ausgerechnet Obama erleiden – er biss sich an einer deutsch-chinesischen Allianz die Zähne aus.

Zuerst versuchte er Hu Jintao zu knacken. Die riesige amerikanische Delegation war mit drei Jets und zweihundert Journalisten angereist und hatte das „Grand Hyatt", das luxuriöseste Hotel der Stadt, gleich komplett gemietet. Doch der geschulte Kader Hu ließ sich weder von kristallenen Lüstern noch von martialischen Secret-Service-Agenten beeindrucken. Eineinhalb Stunden redete Obama auf ihn ein: Die Chinesen sollten endlich ihren riesigen Handelsüberschuss in die USA abbauen. Hu blieb verbindlich, versprach aber nichts.

Er wusste: Nach ihm kam seine wichtigste Verbündete. Angela Merkel nahm Obama gleich nach Hu ins Gebet. Dass er sie fast zwanzig Minuten warten gelassen hatte, zahlte ihm Merkel gleich zurück: Mit den Deutschen könne man, anders als mit den Chinesen, doch gleich in die Arbeit eintauchen, ohne vorher wichtige Zeit darauf zu verschwenden, lange betonen zu müssen, wie gut die gegenseitigen Beziehungen seien, schmeichelte Obama. „Heute hätte ich es gerne gehört.", antwortete die Kanzlerin schnippisch.

Damit hatte sie einerseits den Versuch abgewehrt, einen Keil zwischen sich und Hu zu treiben und andererseits auf die harten Töne angespielt, die Berlin in den vergangenen Tagen aus Washington vernehmen musste. Merkel hatte sofort die Parole „Gegenfeuern!" ausgegeben. Ihre Minister Wolfgang Schäuble und Rainer Brüderle nannten die US-Geldpolitik daraufhin „trostlos" und „falsch".

Merkel hielt sich persönlich lange zurück, um die Amerikaner dann, kurz vor dem Gipfel, doch noch zu provozieren. Sie lobte ausgerechnet die Chinesen als „gute Begleiter unserer Haushaltspolitik" und erwähnte die USA mit keinem Wort. Das meinte: China kann sparen, Amerika nicht.

Wenn die Beziehungen schlecht laufen, kommt auch noch Pech dazu: Ein Brief, den Obama an alle anderen neunzehn Gipfelteilnehmer verschickt, kommt ausgerechnet im Berliner Kanzleramt nicht rechtzeitig an. Merkel ist schon im Anflug auf Seoul und kennt das Schreiben immer noch nicht, da berichten schon Nachrichtenagenturen darüber. Keine Brüskierung, sondern ein Ungeschick: Der amerikanische Botschafter wollte noch ein Begleitschreiben verfassen und so wurde der Abflug der Kanzlerin verpasst.

Der Hintergrund des ganzen Ärgers ist: Wie China verkauft Deutschland mehr in die USA als es von dort kauft. Zwar handelt es sich bei „Made in Germany" nicht um Billigprodukte, sondern um Hochwertiges. „Unsere Exporterfolge belegen, wie wettbewerbsfähig deutsche Produkte sind", hatte Merkel schon vor dem Abflug WELT ONLINE gesagt. Aber der deutsche Überschuss ärgert Obama genau wie der chinesische.

Merkels Administration sucht zwar immer zuerst die Absprache mit dem transatlantischen Verbündeten, doch wenn sich die Supermacht zu hegemonial gebärdet, setzt sie zur Gegenwehr auf andere Staaten, eben auch auf China. Die Maximalforderung der Amerikaner, Exportüberschüsse von mehr als vier Prozent künftig zurückzufahren, hatten Deutsche und Chinesen schon vor dem Gipfel zerschossen. Deutschland hatte Frankreich überzeugt, China viele Schwellenländer ins Boot geholt und so Amerika isoliert. Gemeinsame Interessen sind immer noch die härtere Währung als gemeinsame Werte.

In der Abschlussrunde der Staatschef bekam ein frustrierter Obama von Merkel und den achtzehn anderen Staats- und Regierungschefs deshalb nicht mehr als vages Versprechen. Der Handel soll zwar tendenziell ausgeglichener werden, aber eine schlichte Prozentzahl wird dafür kein Kriterium. Vielmehr werden nun erst einmal mehrere „Indikatoren" ermittelt, die ein Ungleichgewicht ausmachen. Im Klartext: Eine Arbeitsgruppe darf sich unterhalten. China und Deutschland exportieren derweil lustig weiter.

Am zweiten Gipfeltag kann sich Obama endlich trösten, nicht mehr allein zu stehen. Er möchte mehr Freihandel durchsetzen, ebenso wie die anderen westlichen Länder. Hier stehen die Chinesen am Ende allein. Noch bevor das Abschlussdokument fertig ist, bricht Merkel auf. Aber während ihre Wagengruppe noch wartet, braust eine andere Kolonne vorbei. Auch Hu Jintao will schnell zum Flieger. So ist das mächtigste Paar der Welt auch noch gemeinsam in der Luft.

*(Quelle:Welt am Sonntag 14.11.2010)

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