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Bosch-Chef Fehrenbach:"Ohne China fehlte einiges"

2010-12-27
 

Von Michael Freitag

DPA

Bosch-Lenker Franz Fehrenbach: Wachstum in China

Globalisierung, neue Technologien, aggressive Herausforderer - der wichtigste Autozulieferer Bosch ist dabei, sich neu zu erfinden. Unternehmenschef Franz Fehrenbach erklärt im Interview mit manager magazin, wie die zunehmende Abhängigkeit von den asiatischen Märkten die Autoindustrie umwälzt.

mm: Herr Fehrenbach, die Automobilindustrie schwelgt in Euphorie. Die tiefe Rezession ist kaum uberwunden, da nähern sich etliche Konzerne - Bosch gehört dazu - bereits neuen Rekordzahlen. Wie solide ist dieser plötzliche Boom?

Fehrenbach: Es droht aktuell kein massiver Rückschlag. Aber der steile Aufschwung wird sich normalisieren und in einem langsameren Anstieg münden. Nach dem starken Einbruch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise und den darauf folgenden massiven Konjunkturprogrammen vieler Staaten war mit einer kräftigen Erholung durchaus zu rechnen - auch wenn wir diese so schnell und stark nicht erwartet haben. Die teils sehr hohen Wachstumsraten im Jahresverlauf 2010 bedeuten jedoch zunächst einmal lediglich die Rückkehr zu den Vorkrisenumsätzen des Jahres 2007.

mm: Und wenn die Nachfrage in China nicht so gewaltig gewesen wäre, steckte die Branche wahrscheinlich noch in der Krise...

Fehrenbach: In der Tat fehlte der Branche ohne China einiges an Dynamik, und die Erholung hätte wesentlich länger auf sich warten lassen. Wir registrieren weltweit erhebliche regionale Unterschiede. Westeuropa, Nordamerika oder Japan werden bald wieder gesättigte Automärkte haben und nur noch marginal wachsen. Das globale Wachstum wird vor allem von den großen Schwellenländern getragen - von China, Indien und Südamerika. Denn gerade dort gibt es einen enormen Nachholbedarf im Bereich der individuellen Mobilität. In China beispielsweise haben erst 30 von 1000 Menschen ein Auto. In der Europäischen Union hingegen sind es 500 von 1000.

mm: Wie gefährlich ist diese Abhängigkeit von China?

Fehrenbach: Der Begriff "Abhängigkeit" ist falsch. Das Riesenland bietet vielmehr große Chancen. Wir sind von einer nachhaltig positiven Entwicklung in China überzeugt, wenn diese auch nicht weiter so rasant verlaufen wird wie heute. Die Regierung in Peking wird das Wachstum vermutlich etwas abbremsen.

mm: Aber gerade die deutschen Autohersteller und Zulieferer profitieren extrem von dem Boom in China. Eine gewisse Abhängigkeit entwickelt sich da schon...

Fehrenbach: Es wäre natürlich ein herber Rückschlag, wenn in China der Markt zusammenbräche. Das ist aber nicht zu erwarten. Zudem sind wir - ich spreche jetzt für Bosch - regional diversifiziert aufgestellt, könnten also einen Rückschlag in China teilweise ausgleichen. Als globaler Zulieferer muss man auch mit den neuen, chinesischen Zulieferern von Anfang an vor Ort in Wettbewerb treten, denn früher oder später werden diese selber international zu Wettbewerbern.

mm: Die chinesische Politik wartet immer wieder mit Überraschungen auf. Im neuen Fünf-Jahres-Plan verlangt sie von internationalen Konzernen verstärkte Hilfe für Ihre chinesischen Kooperationspartner. Was bedeuten diese Forderungen für die deutsche Automobilindustrie?

Fehrenbach: Bosch und auch manch anderer Zulieferer sowie diverse Autohersteller arbeiten bereits seit längerem eng mit chinesischen Partnern zusammen. Gemeinsam haben wir vor Ort eine bedeutende und erfolgreiche Automobilindustrie aufgebaut. Bosch selbst ist bereits seit gut 100 Jahren erfolgreich in China tätig. Mit fast 30.000 Mitarbeitern an 46 Standorten ist es für uns selbstverständlich, die intensive Zusammenarbeit mit unseren asiatischen Partnern fortzusetzen.

mm: Bosch ist traditionell stark in Asien, in den vergangenen Jahren vor allem in China. Sie durften dort ein ziemlich gutes Jahr hingelegt haben.

Fehrenbach: Unser Geschäft in der Region Asien hat sich über alle Geschäftsbereiche hinweg sehr erfreulich entwickelt, wobei wir derzeit in der Kraftfahrzeugtechnik das stärkste Wachstum verzeichnen. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres sind wir sowohl in Asien insgesamt als auch in China um mehr als 50 Prozent gewachsen.

mm: Ganz so rasant wird es kaum weiter gehen...

Fehrenbach: Nicht ganz, aber wir werden weiter stark zulegen. In den vergangenen fünf Jahren ist Bosch in China im Durchschnitt um rund 30 Prozent gewachsen. Auch für 2011 erwarten wir ein Wachstum in dieser Größenordnung. Wir sind in der Region schon lange präsent, wir haben dort alle Geschäftsfelder kontinuierlich gestärkt und fühlen uns daher auch langfristig sehr gut positioniert. Das reicht von der Verbesserung vorhandener Antriebe in der Kraftfahrzeugtechnik, über die Entwicklung hin zum elektrischen Fahren, die Investitionen in die Photovoltaik und Getriebe für Windkraftanlagen bis zu den energieeffizienten Haushaltsgeräten. Bis 2015 wollen wir den Anteil des Raums Asien-Pazifik am Gesamtumsatz der Bosch-Gruppe auf 30 Prozent steigern. Aktuell liegt der Anteil bei 23 Prozent.

mm: Wie reagieren Sie auf die neue Situation in Asien und speziell in China, wie schützen Sie sich vor einem plötzlichen Markteinbruch dort?

Fehrenbach: Die zunehmende Bedeutung Asiens und Chinas bedeutet für uns keine neue Situation. Ohne unsere anderen Märkte und Wachstumsregionen zu vernachlässigen, werden wir unsere Position in Asien weiter ausbauen. Allein 2010 investieren wir rund eine halbe Milliarde Euro in die dortigen Standorte, davon rund 300 Millionen in China. Insgesamt stellen wir uns nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf dauerhaft volatilere Märkte ein. So rechnen wir auch in Asien mit zyklischen Schwankungen, auf die wir dann ähnlich reagieren werden wie in anderen Regionen, nämlich besonnen und mit Blick auf unsere langfristigen Perspektiven.

mm: Was bedeutet das konkret?

Fehrenbach: Wir setzen auf unser strategisches Leitmotiv "Technik fürs Leben" und die bewährte Bosch-Strategie: Erstens wollen wir unsere Präsenz in den weltweiten Wachstumsregionen weiter ausbauen. Zweitens werden wir die fokussierte Diversifizierung fortführen, insbesondere in den Bereichen energieeffizienter Produkte und regenerativer Energien. Wir wollen aber auch in neue, zu uns passende Geschäftsfelder und Wachstumsgebiete investieren, wie beispielsweise die Telemedizin. Als dritter zentraler Punkt kommt die nachhaltige Sicherung und Steigerung unserer Innovationskraft hinzu.

mm: Die chinesische Politik wird - aller Vorsorge zum Trotz - ein Risiko bleiben.

Fehrenbach: Das sehen wir nicht so. Mit unserer langen Tradition verstehen wir uns in China durchaus als ein lokales Unternehmen. Wir produzieren vor Ort für die Bedürfnisse unserer chinesischen Kunden, wir haben ein gutes Verständnis für die lokale Sichtweise entwickelt, und wir haben vor allem ein langjähriges, vertrauensvolles Verhältnis zu unseren lokalen Kunden, Partnern sowie Institutionen aufgebaut. Dies hat sich insbesondere auch bei der Vermittlung unterschiedlicher Einschätzungen und Herangehensweisen bewährt.

mm: Was müssen die Chinesen Ihnen bieten, damit diese Zusammenarbeit funktioniert?

Fehrenbach: Nach wie vor ist entscheidend, dass wir möglichst offene Märkte und faire Wettbewerbsbedingungen haben, also einen verlässlichen Ordnungsrahmen für die Wirtschaft. Nur so können sich Innovationen, Dynamik und Wachstum entfalten - und das nutzt uns allen.

mm: Was können Sie andererseits aus Asien mitnehmen - persönlich, aber auch als Lehre für Bosch und andere deutsche Unternehmen?

Fehrenbach: Ich persönlich nehme sehr viel mit vom Optimismus der Menschen, der ansteckenden Dynamik, Kraft und Geschwindigkeit; das inspiriert. Landet man nach Asien-Reisen in Deutschland und verfolgt die Diskussion über große Zukunftsprojekte, wird einem manchmal angst und bange, was die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gesellschaft angeht. Das darf sich nicht auf die deutschen Unternehmen übertragen. Die Wirtschaft muss veränderungsfähig, dynamisch sowie global orientiert bleiben. Nur so kann sie den innovativen Fortschritt weiter vorantreiben.

(Quelle:manager-magazin)

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