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China steigt zur Weltmacht der Wissenschaft auf

2011-04-13
 

In China explodiert die Zahl der Fachpublikationen. 2013 wird sie die der USA überholen. Deutsche Forscher sehen darin mehr Masse als Klasse.

China ist auf Titeljagd. Erst im vergangenen Jahr hat die Nation Japan als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst.  Eine Studie der britischen Akademie der Wissenschaften, der Royal Society, zeigt nun, dass die Chinesen auch in der Forschung auf der Überholspur sind und, zumindest was die Zahl der Veröffentlichungen angeht, bald an den USA vorbeiziehen könnten. Der Bericht „Knowledge, Networks and Nations" analysiert genau, wie sich die Wissenschaft in den vergangenen Jahren entwickelt hat, welche Länder in der Forschung voranpreschen, wer hinterherhinkt und wer mit wem kooperiert.

Die Untersuchung zeigt einen regelrechten Wissenschaftsboom im vergangenen Jahrzehnt: Weltweit wird heute mehr in Forschung investiert, mehr publiziert, und auch die Zahl der Wissenschaftler an sich hat zugenommen. Manches hat sich indessen noch nicht verändert. Angeführt von den USA dominieren in vielen Bereichen die westlich geprägten Wissenschaftsnationen das Bild: Großbritannien, Japan, Frankreich und Deutschland. Gemeinsam sind diese fünf Staaten für 59 Prozent der weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) verantwortlich.

Trotzdem ist das Bild der F&E – die neue globale Forschungslandschaft – auch bunter geworden. Denn zu den klassischen Supermächten haben sich inzwischen neue Staaten gesellt. China, Brasilien und Indien, aber auch Länder wie die Türkei und der Iran gehören mittlerweile dazu. „Wir sehen weltweit ein Bemühen, Wissenschaft zu verbessern und auf hohem Niveau möglich zu machen, um die Entwicklungen der Länder voranzutreiben", bestätigt Professor Jörg Hacker, der Präsident der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) die Beobachtungen der britischen Untersuchung.

Um das wissenschaftliche Know-how eines einzelnen Landes zu messen, hat die Royal Society vor allem die Zahl der Publikationen herangezogen. Allerdings nur solche, bei denen die Qualität von externen Gutachtern streng geprüft wurde, also die das sogenannte Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben. Berücksichtigt wurden nur Artikel aus einer Datenbank des Wissenschaftsverlags Elsevier, immerhin eine der größten weltweit.

Dass dieses Vorgehen auch Schwächen hat, ist der Akademie durchaus bewusst, schließlich bleiben in den Datenbanken nicht englischsprachige Arbeiten häufig unbeachtet. Auch rutschen Artikel durch das Raster, die nicht in Peer-Review-Zeitschriften erschienen sind. „Es ist klar, dass bibliometrische Daten alleine die Dynamik der sich ändernden Wissenschaft nicht vollkommen einfangen können", schreiben die Autoren im Bericht. „Trotzdem ist dies derzeit die einzig anerkannte und stabilste Methode dafür."

Bei der Zahl der Veröffentlichungen prescht besonders ein Land voran: China. Von 1999 bis 2003 lag die Zahl der Fachartikel aus China noch bei rund 242000, das war ein Anteil von 4,4 Prozent an den weltweiten Publikationen. Einen Vierjahreszeitraum später (2004 bis 2008) machten die rund 748000 chinesischen Arbeiten bereits 10,2 Prozent der globalen Veröffentlichungen aus. Auf der Publikationsrangliste steht das asiatische Land somit nun auf Platz zwei, direkt hinter den USA.

Entwickelt sich dieser Trend so weiter, könnte China die Amerikaner schon 2013 überholt haben. Werden die USA also bald an der wissenschaftlichen Weltspitze abgelöst? Robert Paul Königs, Leiter für fachliche Angelegenheiten bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), bezweifelt das: „Viel publizieren heißt noch lange nicht gut publizieren." Königs denkt dabei an die zweite Erhebung des Berichts: die Zahl der weltweiten Zitate. Wird ein Artikel häufig zitiert, zeigt das, dass andere Forscher die Arbeit anerkennen und wertschätzen.

Auf dieser zweiten Rangliste liegt China noch lange nicht so weit vorn – nämlich nur auf Platz 7. „Im Schnitt sind die Veröffentlichungen aus China offensichtlich noch nicht so gut und nicht so interessant wie die aus den anderen Wissenschaftsnationen", erklärt Mathematiker Königs. Oder mit anderen Worten: Die Asiaten haben zwar in der Quantität der wissenschaftlichen Arbeiten zugelegt, in der Qualität reichen sie im Mittel aber noch nicht an die USA und Co. heran.

Die DFG selbst vertritt entschieden das Prinzip „Klasse statt Masse". Um die Flut an Publikationen in der Wissenschaft zu bremsen, hat sie im vergangenen Jahr neue Regeln bei Anträgen und Berichten festgelegt: Forscher sollen nicht mehr so viele Referenzen wie möglich angeben, sondern nur wenige, besonders aussagekräftige Arbeiten.

 

Königs, der für die DFG auch zwei Jahre in China gearbeitet hat, vermutet zudem, dass die Asiaten die Zahl der Publikationen durch verschiedene Tricks nach oben treiben. Etwa, indem sie ihre Entdeckungen scheibchenweise in vielen kleinen Artikeln kundtun und nicht in einem großen – eine Praxis, die freilich auch in zahllosen westlichen Instituten gang und gäbe ist. „Die Chinesen wissen um den Wert solcher zahlenmäßigen Indikatoren, und ihnen wird sicherlich nicht entgangen sein, dass man auf diese Weise ein bisschen nach oben kommt."

Trotzdem sei China durchaus dabei, eine führende Wissenschaftsnation zu werden, betont Königs. „Sie sind auf dem Weg nach oben, aber sie sind noch nicht oben angekommen." Eine der markantesten Entwicklungen, die der „Knowledge, Networks and Nations"-Bericht zeigt, ist die wachsende Vernetzung der Wissenschaftler. Nach Angaben von Professor Sir Chris Llewellyn Smith, der die Untersuchung leitete, geht dies auch auf die Globalisierung der Probleme zurück, die uns heute beschäftigen: „Globale Aufgaben wie der Klimawandel, potenzielle Pandemien, Biodiversität und Nahrungs-, Wasser- und Energiesicherheit erfordern globale Herangehensweisen." Daneben hätten günstigere Möglichkeiten zu Reisen und neue Wege der Kommunikation, also Skype, Email und Co., zur stärkeren Zusammenarbeit geführt.

Die neuen Möglichkeiten zu kommunizieren, würden auch bei schwierigen Themen zu mehr Austausch führen, meint Leopoldina-Präsident Hacker. So werde die „Dual use"-Problematik nun offener diskutiert, also neue Erkenntnisse und Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. „Eine Frage ist etwa, inwieweit man Forschungsergebnisse publizieren soll, die sich mit tödlichen Krankheitserregern befassen."

Und was sagt die Royal Society zu Deutschland? Auf den ersten Blick sieht es für die Bundesrepublik nicht mehr ganz so gut aus: Der deutsche Anteil an den weltweiten Publikationen ist dem Bericht zufolge von sieben auf sechs Prozent gesunken. Weil die Zahl der Veröffentlichungen insgesamt aber extrem gestiegen ist, zeigt sich beim genaueren Hinschauen, dass die Artikelmenge auch hierzulande zugenommen hat – nur etwas weniger als anderswo: von rund 385.000 im ersten, auf rund 440.000 im zweiten Untersuchungszeitraum. „Ich sehe Deutschland weiterhin als eine der führenden Wissenschaftsnationen – auch nach dem Report der Royal Society", betont Leopoldina-Chef Hacker.

Auch auf die sich wandelnde Forschungslandschaft sei die Bundesrepublik gut vorbereitet: „Wir haben in Deutschland in den letzten zehn Jahren umgedacht und gerade die Nationen, die nun stärker auf Forschung setzten, etwa China, Brasilien und Indien, mehr in den Fokus genommen."

Das zeige sich auch in der DFG: Die Zahl der Mitglieder aus den genannten Nationen sei spürbar gestiegen. Königs ist überzeugt: „Wir sollten uns weiterhin in der internationalen Kooperation viel Mühe geben, weil es sich einfach lohnt. Da ist viel zu holen."

(Quelle:Welt Online 6.4.2011)

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