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Das rote China gibt sich grün

2011-04-18
 

Die Nuklearkatastrophe in Japan hat die Energiepläne im Nachbarland China kräftig durcheinandergewirbelt. Zwar bleibt die Volksrepublik der am schnellsten wachsende Markt für neue Atomkraftwerke. Doch China verzögert den Ausbau und treibt stattdessen die erneuerbaren Energien voran. Schon jetzt gewinnt kein anderes Land der Welt mehr Strom aus Wasser und Wind, niemand investiert mehr in alternative Quellen als China.

Das Unglück in Fukushima überschattete in Peking die Beratungen über den neuen Fünfjahresplan, änderte aber zunächst nichts daran, dass China eine Vervierfachung seiner Atomstrom-Kapazitäten festlegte. Kaum war das Gesetz beschlossen, wurden die Ziele jedoch relativiert. Die Zentralregierung kündigte an, alle neuen Projekte bis zur Überprüfung der Sicherheit auf Eis zu legen und die bestehenden Anlagen, etwa ein Dutzend, gründlich zu untersuchen. Die Nationale Energiekommission bestätigte jetzt, dass die Ausbauziele für die Solarenergie bis 2015 revidiert und auf 10 Gigawatt verdoppelt werden sollen.

„Die Solarindustrie in China zählt zu den großen Gewinnern von Fukushima", sagt der Energieberater Frank Haugwitz in Peking. „Bisher war sie eher ein Stiefkind, jetzt kann sie davon profitieren, dass die Kernenergie auch in China mit größerer Vorsicht betrachtet wird."

Nirgendwo werden mehr AKWs gebaut als in China

Spätestens seit den Reaktorunfällen weiß die Welt, dass nirgendwo mehr Atomkraftwerke gebaut werden als in China. Das Land weitet auch die fossile Stromerzeugung kräftig aus und investiert stärker in erneuerbare Energien als alle anderen Volkswirtschaften. Jede Woche geht ein Kohlekraftwerksblock westlicher Größe in Betrieb, im Monat sind das Kapazitäten von fast 4000 Megawatt.

Im vergangenen Jahr zog das Land bei den Ausgaben für alternative Energien erstmals an Deutschland vorbei auf den ersten Platz. Nach einer Studie der Nichtregierungsorganisation Pew Charitable Trust in Washington betrugen die Investitionen rund 54 Milliarden Dollar, in Deutschland waren es etwa 41, in Amerika 34 Milliarden.

Der Grund für diese Rekorde ist der Energiehunger des Riesenreiches. Das Wachstum ist derart stark und die Effizienz derart schwach, dass sich der Stromverbrauch in den vergangenen 15 Jahren fast vervierfacht hat. Bisher gewinnt China seine Elektrizität zu 80 Prozent aus Kohle, zu 16 Prozent aus Wasser, zu 2 Prozent aus der Kernspaltung und zu einem Prozent aus Wind.

Da es jetzt schon mehr Kohlendioxid emittiert als alle anderen Länder, will es die Abhängigkeit von der Kohle verringern. Dabei sollen die erneuerbaren Energien eine entscheidende Rolle spielen - ebenso wie die Kernkraft.

Vervierfachung der Nuklearkapazität vorgesehen

Der neue Fünfjahresplan sieht bis 2015 eine Vervierfachung der Nuklearkapazität auf 40 Gigawatt vor. Der Zuwachs erfolgt von einem niedrigen Niveau aus, denn China ist erst spät in die Technik eingestiegen und unterhält - bei zehnmal mehr Einwohnern - nur ein Viertel so viele Meiler wie Japan.

Die vorsichtige Neubewertung der Nukleartechnik geht in China, anders als im Westen, nicht auf Widerstände oder gar Proteste zurück. Eine breite Atom-Kontroverse gibt es im Land nicht. Die Regierung fürchte aber, dass die Bevölkerung auf eigene Katastrophen weniger besonnen reagieren könnte als die Japaner, sagt Haugwitz. „Das könnte an der Legitimität rütteln."

Es ist unverkennbar, dass Peking seine nuklearen Ambitionen zwar nicht aufgibt, aber drosselt.„Wir kommen um die Atomkraft nicht herum, wenn unsere Wirtschaft aufholen soll, aber natürlich verzögert Fukushima den Ausbau", sagt Cao Yin, Leiter der Energieabteilung beim Marktforscher Frost and Sullivan in Schanghai. Er erwartet, dass die Behörden die Sicherheitsanforderungen erhöhen und Standorte nahe von Küsten, Städten oder Erdbebenzonen nicht genehmigen werden. Das koste mindestens ein Jahr Zeit.

„Wir sehen keine bedeutende Veränderung am Nuklearkonzept, wohl aber eine technische und planerische Aufrüstung", sagt Zhou Xizhou, stellvertretender Direktor von Cambridge Energy Research Associates in Peking. Dazu zählt er, dass der überhastete Ausbau in den Provinzen überprüft wird. In Hunan und Yunnan seien unsichere Baugelände bereits geschlossen worden.

Zhous Institut hat ermittelt, dass alle bisherigen Einzelvorhaben zusammengenommen bis 2020 eine Nennleistung von 120 Gigawatt erbrächten. Das wären 50 Prozent mehr, als die Zentrale plant. „Wegen Fukushima dürften die überambitionierten Lokalregierungen zurückgepfiffen werden", sagt Zhou.

Selbst wenn die Photovoltaik verdoppelt würde, wüchse Kernkraft stark

Ein weiterer Effekt ist der noch stärkere Ausbau der erneuerbaren Energien. Bisher wurden sie stets im Zusammenhang mit der Atomkraft betrachtet. China hat sich das Ziel gesteckt, bis 2020 gut 15 Prozent des Primärenergieverbrauchs aus nichtfossilen Quellen zu decken, wozu es auch die Nukleartechnik zählt; bisher sind es etwa 8 Prozent. Das Ausbauziel werde zwar nicht aufgegeben, erwarten Fachleute, innerhalb der Gruppe dürfte die Kernkraft aber weniger stark wachsen als geplant.

Statt 7 Punkte zu den 15 Prozent beizusteuern, könnten es 6 oder noch weniger werden, rechnet Cao. „In diese Bresche müssen die Erneuerbaren springen." Während China bei der Nutzung von Wasser und Wind die Welt anführt und an Grenzen stößt, spielt der Solarstrom bisher keine Rolle.

Doch selbst wenn der Photovoltaikanteil verdoppelt würde, wüchse die Kernkraft noch immer stärker als überall sonst in der Welt, sagt Zhou. „Wenn die Diskussion um die Sicherheit erst einmal vorbei ist, geht der Ausbau weiter."

(Quelele:FAZ.NET)

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