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Die deutsche Solarindustrie ächzt unter dem chinesichen Preisdruck

2011-08-18
 Die deutsche Solarindustrie ächzt unter dem Preisdruck, den chinesische Hersteller auf sie ausüben. Es sind viele Faktoren, die den Erfolg der Asiaten begründen. Und kaum eine Handvoll deutscher Fotovoltaikanbieter ist für den weltweiten Wettbewerb mit den neuen globalen Marktführern gewappnet.

Hamburg - Die deutsche Solarbranche steckt in der Krise - mal wieder. Erst litten die Hersteller an der Siliziumknappheit. Dann zitterten sie bis zur Reaktorkatastrophe in Fukushima vor der Kappung der Einspeisevergütung. Heute kommt die Bedrohung aus China, wo derzeit ein Solargigant nach dem anderen die Bühne betritt. Im Juli rechnete die Unternehmensberatung PRTM vor, dass die Chinesen im vergangenen Jahr 45 Prozent des weltweiten Umsatzes im Fotovoltaikmarkt auf sich vereinigten. 2009 waren es noch 36 Prozent. Die operativen Gewinne versechsfachten die chinesischen Firmen dabei von 313 Millionen Euro im Jahr 2009 auf rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2010.

Dem Kostendruck der chinesischen Massenanbieter sind die deutschen Hersteller fast hilflos ausgesetzt. Ein Blick auf die Quartalszahlen genügt, um dies zu erkennen. Q-Cells , einst Vorzeigeunternehmen der Branche, zog nach einem Verlust von 354,8 Millionen Euro allein im zweiten Quartal dieses Jahres vergangene Woche die Reißleine. Der Aufsichtsrat segnete den Konzernumbau ab. Dieser sieht eine Verlagerung der Solarzellenherstellung nach Malaysia vor, dazu einen drastischen Personalabbau in Deutschland. Den Umbau vorantreiben soll unter anderen der einstige Conergy-Vorstand Andreas von Zitzewitz.

Sein ehemaliges Unternehmen Conergy, einst ein heißer Börsentipp, ist heute ein chronischer Pleitekandidat. Sechs ehemalige Manager, darunter der frühere Firmenpatron Dieter Ammer, müssen sich inzwischen gar vor Gericht gegen die Vorwürfe der Marktmanipulation, der Bilanzfälschung und des Insiderhandels verteidigen. Die Führungskrise des Hamburger Energieunternehmens wird - nach 41 Millionen Euro Verlusten bis zur Jahresmitte - durch eine akute Finanznot verschlimmert.

Der Berliner Solarmodulhersteller Solon  schrieb im ersten Halbjahr 63 Millionen Euro Verlust. Und der Münchener Wettbewerber Centrosolar  dampfte jüngst seine Jahresziele ein, nachdem im zweiten Quartal der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr von 124,2 Millionen auf 79,3 Millionen Euro eingebrochen war und statt des Vorjahresgewinns von 12,9 Millionen Euro nun ein Minus von 5,2 Millionen in der Bilanz steht.

Auch US-Anbieter können sich dem Preisdruck nicht entziehen

Die Liste ließe sich fortsetzen. Und sie gilt nicht nur für deutsche Hersteller. Anfang dieser Woche meldete der US-Hersteller Evergreen Solar Insolvenz an. Zwei Jahre lang hatte der Konzern mit vielen Mitteln versucht, sich gegen die billiger produzierenden Rivalen aus China zu behaupten. Dafür verlegten die Amerikaner sogar die eigene Herstellung aus Massachusetts in die Volksrepublik.

Der einst größte Fotovoltaikanbieter der Welt, das US-Unternehmen First Solar, wurde in der aktuellen PRTM-Rangliste vom ersten Platz verdrängt. Spitzenreiter ist nun der chinesische Konzern Trina Solar.

Die ersten deutschen Anbieter auf der Liste - die Umsatz, Gewinne, Wachstum und Effizienz berücksichtigt - sind erst weiter hinten zu finden. Die Bosch-Tochter Aleo schaffte es immerhin auf Platz 16, das Bonner Unternehmen Solarworld auf Platz 17. Die Jahre, in denen die Liste von deutschen Herstellern dominiert wurde, sind vorüber.

Zumindest der Bosch-Sparte und der vom charismatischen Unternehmenschef Frank Asbeck geführten Solarworld AG traut der für das Ranking verantwortliche PRTM-Geschäftsführer Hans Kühn zu, Preiskampf und Konsolidierung zu überstehen. "Solarworld ist dank seiner vertikalen Integration gut aufgestellt", sagt Kühn. Von der Gewinnung des Solarsiliziums bis zur schlüsselfertigen Solarstromanlage habe das Unternehmen alle Produktionsprozesse unter einem Dach vereint. Allerdings werde diese Unabhängigkeit durch einen Mangel an Flexibilität gegenüber Nachfrage- und Marktveränderungen erkauft. "Es muss sich auch zeigen, inwieweit Solarworld mit der Wachstumsgeschwindigkeit der chinesischen Hersteller mithalten kann", sagt Kühn.

Solon, Q-Cells und Conergy könnten vom Markt verschwinden

Gut aufgestellt sieht der Fotovoltaikexperte im Hinblick auf die Marktkonsolidierung auch die inzwischen im Bosch-Konzern integrierten Unternehmen Ersol und Aleo Solar. Schott Solar, eine Tochter des Spezialglaskonzerns Schott, gehöre ebenfalls zu jenen Herstellern, die seiner Ansicht nach langfristig am Markt bestehen könnten. "Der Vorteil dieser Unternehmen ist, dass sie das Wachstum finanzieren können und gleichzeitig über eine weltweit etablierte Marke verfügen", sagt Kühn.

Für den Rest der deutschen Anbieter sieht der Experte indes schwarz. "Was wir in unseren Studien sehen, ist, dass Unternehmen wie Solon, Q-Cells oder Conergy in der heutigen Form angeschlagen sind." Selbst ein Zusammenschluss deutscher Anbieter sei wegen der dann immer noch offenen Finanzierung des Wachstums keine Alternative. Und dass einer der chinesischen Weltmarktführer zugreift, glaubt Kühn ebenfalls nicht. "Außer, sie sind an der Marke interessiert."

Allein die Fakten sprechen gegen ein solches Szenario. Spätestens seit dem Beginn der diesjährigen Fußball-Bundesliga-Saison ist beispielsweise der Name des chinesischen Solarkonzerns Suntech  nicht mehr nur den Betreibern von Solarparks ein Begriff. Der Grund: Die Kicker der TSG Hoffenheim tragen den Suntech-Schriftzug auf der Brust. Erst vor wenigen Tagen haben die Chinesen offiziell angekündigt, in den deutschen Privatkundenmarkt einzusteigen. Mit seiner Werbeinitiative folgt Suntech anderen chinesischen Solarfirmen, wie etwa Yingli Solar beim FC Bayern München.

Chinas Marktführer profitieren von mehreren Faktoren

Den chinesischen Herstellern geht es vor allem darum, als Qualitätshersteller wahrgenommen zu werden. Denn ein lange gehegter Vorwurf lautet, dass sie den Markt mit qualitativ minderwertigen Produkten überschwemmen. Dieses Argument gilt allerdings nach Ansicht von Wolfgang Hummel, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, längst nicht mehr. Der Fotovoltaikexperte weiß, wovon er spricht. Vor wenigen Monaten hat er selbst die Produktion Suntechs im chinesischen Wuxi besichtigt. "Wenn Sie durch die Halle gehen, sehen Sie genau die deutschen und Schweizer Marken, die auch in den Hallen hierzulande stehen - da wird Qualität produziert", sagt Hummel.

Den Vorwurf, dass Chinas Solarunternehmen die staatliche Subventionierung zu Dumpingpreisen nutzten, wischt der Experte ebenfalls beiseite. "Natürlich gibt es auch günstige Grundstücke und günstige Kredite durch die China Development Bank." Doch über die typische staatliche Subventionierung reichten diese Hilfen kaum hinaus.

Produktionskosten von 30 bis 40 Prozent unter jenen der deutschen Hersteller seien vielmehr das Ergebnis mehrerer Faktoren, sagt Hummel. "Vieles ist in China flexibler." Wenn beispielsweise eine Dünnschichtproduktion eingestellt werde, gehe das in China über Nacht, sagt der Experte. "Bei uns hingegen redet auch ein Betriebsrat mit." Darüber hinaus liefen die Anlagen in China praktisch rund um die Uhr.

Ein weiterer, bedeutsamer Faktor seien die Skaleneffekte, die vor allem die großen chinesischen Anbieter wie zum Beispiel Trina Solar, Yingli oder Suntech realisieren könnten.

Finanzierung in den USA, Produktion in China, Absatz in Europa

Ebenfalls unterschätzt wird nach Ansicht Hummels die Kapitalbeschaffung der chinesischen Solargiganten. "Während die deutschen Anbieter in vergleichsweise kleinen Indizes wie dem SDax oder dem TecDax vertreten sind, beschaffen sich die chinesischen Unternehmen ihr Geld über Nasdaq und NYSE", sagt Hummel. "So entsteht ein Dreibein: Finanzierung in den USA, Produktion in China, Absatz in Europa."

Gerade in der Produktion zieht es vor diesem Hintergrund auch Deutschlands kapitalstarke Hersteller nach Fernost. Schott Solar hat Anfang des Jahres ein Joint Venture in China gegründet. Und Bosch hat angekündigt, 520 Millionen Euro in eine neue Solarfabrik in Malaysia zu stecken. Im Bundesstaat Penag will der Industriekonzern bis Ende 2013 in die Produktion einsteigen. Nach dem Endausbau im Jahr 2014 sollen 2000 Beschäftigte in der Fabrik arbeiten und Solarzellen mit einer Gesamtspitzenleistung von 640 Megawatt pro Jahr herstellen. Neben den niedrigen Produktionskosten hat Bosch allerdings auch eine weitere Entwicklung im Auge: den dynamisch wachsenden Solarmarkt in Asien. Er soll künftig von Malaysia aus bedient werden.

Das auch Q-Cells im Zuge der Umstrukturierung seine Produktion nach Malaysia verlagern will, hat vor allem in Sachsen-Anhalt für Wirbel gesorgt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) brach gar seinen Urlaub ab, um sich für den Erhalt des Solarstandorts Sachsen-Anhalt starkzumachen. Von der Bundesregierung forderte er bereits Unterstützung. "Diejenigen, die in Deutschland und Europa Solarparks bauen, müssen Zugang zu Kapital haben", sagte Haseloff. Die Politik müsse "klare Signale" geben und stabile gesetzliche Grundlagen schaffen.

Einige Major-Player könnten ohne Subventionen auskommen

"Von solchen politischen Aussagen halte ich wenig", sagt Fotovoltaikexperte Wolfgang Hummel. "Es gibt einfach zu viele deutsche Unternehmen, die nur in der Regionalliga oder der Zweiten Bundesliga spielen." Eine Konsolidierung würde dem Markt seiner Ansicht nach gut tun. "Da gibt es Unternehmen, die haben 50, 80, 110 Mitarbeiter." Zu wenig im Vergleich zur Weltspitze. "Ein Vergleich damit, was die anderen besser machen, wäre angebrachter, als noch mehr Subventionen zu fordern."

Das Dutzend ausländischer Staaten, das die Solarenergie bislang fördert und somit deutschen Herstellern als Absatzmarkt dient, hat Hummel jüngst in einer Studie der Hochschule für Wirtschaft und Technik untersucht. Das Ergebnis ist betrüblich.

In diesem Jahr bleiben die Hauptmärkte Spanien, , Italien, Tschechien im Vergleich zu 2010 weit hinter den Erwartungen zurück. Der Grund: In all diesen Ländern wurden Förderungen gekürzt, der Solarzubau mit Kappungsgrenzen versehen oder - teilweise rückwirkend - Steuern auf Solaranlagen erhöht. Die hohen Erwartungen an neue Märkte wie Großbritannien, Australien und die Türkei haben sich ebenfalls nicht erfüllt. Aufgrund von Sparzwängen wurden die Einspeisetarife niedrig angesetzt und Förderprogramme weitgehend auf Eigenheime beschränkt. Die von vielen als Zukunftsmarkt eingeschätzten Vereinigten Staaten zeigen zwar Wachstum, doch sind alle Solarprogramme von möglichen Einsparmaßnahmen bedroht. Und in Japan machen bürokratische Zulassungs- und Genehmigungsverfahren den Marktzugang nahezu unmöglich.

Die Haushaltsprobleme in den meisten Ländern der Welt verbessern Aussichten nicht unbedingt.

Den deutschen Herstellern hilft auch nicht, dass aus Sicht der gesamten Branche der schlimmste Fall, die Streichung aller Subventionen, inzwischen sogar verkraftbar wäre. "Es würde zwar zu einer Marktbereinigung kommen", sagt PRTM-Geschäftsführer Hans Kühn. "Allerdings gibt es nach unseren Berechnungen bereits einige Major-Player, die schon jetzt in der Lage wären, ohne Subventionen zu arbeiten." Die, so der Experte, kämen aber fast ausnahmslos aus Asien.

(Quelle: manager online)

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