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China:Kein lachender Dritter

2011-08-30
 

Trotz aller Muskelspiele ist China auf Amerika und die EU angewiesen, auf ihre Märkte, ihre Innovationen, ihre Produkte und Währungen. China ist so eng mit dem Westen verwoben, dass es in der Krise nicht abseits stehen kann.

Von Christian Geinitz

Die Schuldenkrise und die Rezessionsangst im Westen lassen China stark aussehen. In Wirklichkeit aber fürchtet das Land, hineingerissen zu werden in den Strudel seiner wichtigsten Märkte und Schuldner. Die Waffen im Kampf gegen frühere Turbulenzen – Konjunkturpakete, Kreditausweitung – sind stumpf geworden. Daher sehen sich die Asiaten gezwungen, den Industrieländern den Rücken zu stärken und die Wirtschaftsreformen im Inland zu beschleunigen. Das könnte auch helfen, die internationalen Ungleichgewichte zu glätten. Falls der Umbau greift, gehen China und die Welt gestärkt aus den Aufräumarbeiten hervor.

In diesen Zeiten des Umsteuerns geben sich in Peking westliche Gutwetterpolitiker die Klinke in die Hand. Auf Amerikas Vizepräsidenten Joseph Biden folgt am Donnerstag Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Biden hat den Gastgebern versichert, dass sie sich um ihre Anleihen keine Sorgen zu machen brauchten. Zugleich rückte er die Proportionen ins rechte Licht. China ist zwar der größte ausländische Gläubiger, aber der Wert ist klein im Vergleich zur Inlandsschuld.

                           Wenn die Kurse fallen, ist auch China betroffen

So tritt Washington auch nicht als Bittsteller auf, sondern als selbstbewusster Garant des chinesischen Wohlstands. Keine andere Nation kauft mehr Waren von der exportabhängigen Volksrepublik. Nirgendwo hat Peking mehr Geld angelegt. Durch die Kopplung des Renminbi an den Dollar hat China Teile der Geldpolitik an die Fed abgetreten. Auch der Wert seiner riesigen Devisenreserven ist vom Dollar abhängig. Der Seufzer von Außenministerin Hillary Clinton ist verständlich, dass es schwer sei, mit China hart ins Gericht zu gehen: „Wie soll man sich mit seinem Banker anlegen?" Aber das Gegenteil gilt genauso. Eine Bank, die nur einen Kunden hat, steht und fällt mit dessen Erfolg.

Gefesselt an Europa

Gefesselt ist China auch an Europa. Der Euro ist die einzige Alternative für Devisenanlagen, als Handelspartner ist die EU sogar noch wichtiger als die Vereinigten Staaten. Um die Region zu stabilisieren, will China weitere Schulden der Wackelländer zu kaufen. Man fürchtet, dass die EU sonst in die Rezession rutscht und in China Szenarien wie zu Beginn der Krise drohen. Damals mussten Zehntausende Exportbetriebe schließen, Millionen Wanderarbeiter verloren den Job. Dagegen legte die Regierung das größte Konjunktur- und Kreditpaket aller Zeiten auf. Die Zentralbank fror Zinsen und Wechselkurs ein, um die Exportwirtschaft zu päppeln.

Zweifelhaft ist, ob das auch diesmal gelingt. Denn das Stimulusprogramm hat China große Schwierigkeiten eingetragen. Die Inflation ist aus dem Ruder gelaufen, in der Industrie dräuen Überkapazitäten, in der Bauwirtschaft Spekulationsblasen. Als Hauptträger der öffentlichen Investitionen haben sich die Kommunen überschuldet, die Banken fürchten Kreditausfälle. Der unterbewertete Renminbi schmälert die Kaufkraft, verteuert die Importe, zwingt die Notenbank zu weiteren Dollarkäufen.

Noch nicht das Zeug zu einer Leitwährung

Verantwortungsvollen Chinesen liegt ohnehin jeder Triumphalismus fern. Sie wissen: Der Systemwettkampf ist zwar ein politischer, anders als im Kalten Krieg aber kein wirtschaftlicher. Durch die internationalen Verflechtungen wäre der Zusammenbruch der Anderen das Menetekel des eigenen Abstiegs. China versucht daher, endlich ernst zu machen mit dem Strukturwandel. Die Förderung der Dienstleistungswirtschaft, der Sozialsysteme, neuer Branchen und Techniken sollen den Binnenkonsum und die Wertschöpfung erhöhen und die Abhängigkeit vom Export verringern.

Dieser Weg würde eine schnellere Aufwertung des Renminbi zulassen, was den Inflationsdruck und den Anstieg der Rücklagen bremsen könnte. Noch hat Chinas Valuta nicht das Zeug zu einer Leitwährung, aber die Internationalisierung schreitet voran, die Konvertibilität rückt näher. Die geplante Neuausrichtung der Wirtschaft könnte auch helfen, die globalen Unausgewogenheiten etwas auszutarieren, die darin bestehen, dass die Chinesen das Geld aus ihrem Handelsüberschuss an die Amerikaner verleihen, die damit weitere Güter aus China kaufen.

So sehr China an einer baldigen Genesung des Westens gelegen ist, so wichtig ist für die Industrieländer, dass die Volksrepublik nicht wankt. Ganze Branchen wie der Auto- oder Maschinenbau hängen von Fernost ab. Freilich lauern auf dem Weg zur neuen, von Asien gestützten Stabilität auch Gefahren, nicht zuletzt ordnungspolitischer Natur. Das westliche Modell sieht sich in China weiter diskreditiert, die Hardliner in der Kommunistischen Partei wollen damit im Machtwechsel 2012 punkten. Sie drehen einen alten Zusammenhang geschickt um. Die Frage sei nicht länger, ob der Markt auch ohne Demokratie funktioniere. Vielmehr erweise sich gerade, dass er in Ländern wie China besser funktioniere. Das „Ende der Geschichte" sei in Wirklichkeit erst deren Anfang: ein kapitalistischer Paternalismus ohne die Bremskräfte von Pluralismus und Partizipation. Trotz solcher Muskelspiele ist das Reich der Mitte auf absehbare Zeit auf Amerika und die EU angewiesen, auf ihre Märkte, ihre Innovationen, ihre Produkte und Währungen. China kann und wird sich nicht erlauben, als lachender Dritter abseits zu stehen.

(Quelle: F.A.Z.27.8.2011)

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