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China wird Spitzenreiter der alternativen Energien

2011-08-29
Wieder einmal wurde China unterschätzt. Während die Deutschen ihre Energiewende planen, ziehen die Chinesen im Bereich der alternativen Energien an ihnen vorbei.

Während wir die Energiewende noch planen, sind die Chinesen, was alternative Energien betrifft, schon an uns vorbeigezogen. Das wird derzeit auf dramatische Weise sichtbar: Der einstige deutsche Weltmarktführer Q-Cells kämpft ums Überleben. Er hat im zweiten Quartal über 350 Millionen US-Dollar Verlust gemacht – fast das Vierfache des Gewinns des vergangenen Jahres. Auch die deutschen Wettbewerber straucheln. Einzelfälle, auf die Börsen nervös reagieren? Nein, es ist ein Trend, der hoffentlich nicht typisch für die deutsche Wirtschaft wird.

Wieder einmal haben wir die Chinesen unterschätzt. Während wir noch über chinesische Subventionen und Technologieklau lamentieren, haben die Chinesen uns überholt. Da ist es wenig tröstend, dass es den westlichen Konkurrenten nicht bessergeht. Kein anderes Land der Welt investiert inzwischen mehr Geld in erneuerbare Energien als China. Um vierzig Prozent haben die Chinesen ihre Investitionen im vergangenen Jahr gesteigert auf 54 Milliarden US-Dollar. Damit kommt fast ein Drittel aller grünen Investitionen der G20-Länder aus China.

Der Weltmarktanteil der deutschen Solarenergie ist innerhalb von fünf Jahren von fünfzig auf gut zwanzig Prozent gesunken. Der Anteil der Chinesen ist allein 2010 von 36 auf 45 Prozent gestiegen. Die größten deutschen Solarunternehmen stehen 2011 auf Platz 16 und 17 der Weltrangliste. Spitzenreiter ist inzwischen ein chinesischer Konzern. Dabei haben die Chinesen noch gar nicht richtig angefangen. Die chinesischen Investitionen sind, an der Einwohnerzahl gemessen, im Vergleich zu Deutschland noch klein.

Bei der Windenergie sieht es nicht besser aus. Erstmals sind 2010 die meisten neuen Windräder nicht in Europa und Nordamerika, sondern im Reich der Mitte aufgestellt worden. Fast die Hälfte aller weltweit pro Jahr errichteten neuen Windmühlen steht in China. Anfang Juli 2011 gelang es dem chinesischen Unternehmen Sinovel sogar, einen Großauftrag in Irland im Wert von eineinhalb Milliarden Euro zu akquirieren.

Die größte Solaranlage Griechenlands wird von dem chinesischen Hersteller Yingli Solar gebaut. Die Deutschen hingegen kriegen den Fuß in China kaum noch auf den Boden. 2004 wurden noch neunzig Prozent von Chinas Windanlagen von Ausländern geliefert. Im Jahr 2010 stammten neunzig Prozent der Anlagen aus chinesischer Produktion.

Das alles will erstaunlicherweise in Deutschland niemand so recht wahrhaben: „Deutschland ist Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Technologien", behauptete Umweltminister Norbert Röttgen nach dem Unglück von Fukushima. Damit zeigte er weniger Realitätssinn als Gespür für das, was die Wähler hören wollen. Er glaubt wohl, sie wollen sich in Illusionen sonnen. Und wahrscheinlich liegt er damit nicht einmal falsch. „Von China sehen wir nur noch die Staubfahne", lautet hingegen das Ergebnis einer UN-Studie zu dem Thema. Peking – und nicht etwa Berlin – ist heute die Welthauptstadt der Elektromotorräder. Und die umweltfreundlichsten Autos kommen zwar noch nicht aus China, aber aus Japan.

Sind wir Opfer von unfairem Wettbewerb durch staatlich subventionierte Konkurrenz und gekürzte Einspeisevergütungen in Europa? Das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit.

Chinesische Solarhersteller sind inzwischen nicht nur billiger, sondern auch innovativer als deutsche und amerikanische. Einem chinesischen Hersteller ist es in diesem Frühjahr erstmals gelungen, die Vorteile zweier bisher getrennter Verfahren miteinander zu verbinden. Und ein taiwanesisches Unternehmen setzte vor einigen Monaten eine neue Bestmarke beim Wirkungsgrad von serienproduzierten Silizium-Solarzellen. In der Windenergie wetteifern amerikanische, europäische und chinesische Firmen inzwischen um die erste Zehn-Megawatt-Turbine. Und auch hier werden den Chinesen gute Chancen eingeräumt. Sie können viel mehr investieren, weil sie viel größere Kapazitäten aufbauen müssen. Immerhin: Die mechanisch extrem belasteten Lager für Windräder zum Beispiel müssen sich die Chinesen noch aus Europa liefern lassen. Doch wie lange noch?

In den kommenden zehn Jahren wollen die Chinesen zudem 100 Milliarden US-Dollar in ein intelligentes Stromnetz investieren. Es sieht also nicht danach aus, als ließen sich die Chinesen den Vorsprung bei erneuerbaren Energien noch abjagen.

Selbst von den zuweilen sehr euphorischen Deutschen nicht. Im Gegenteil. Die Investoren verkaufen ihre Aktien. Für Innovationen fehlt nun das Geld. Der klamme Staat kann nicht einspringen. Wir sollten uns vielmehr eingestehen, dass wir uns zu lange auf unserem Erfolg ausgeruht haben. Wir waren nicht innovativ genug. Das sollte uns eine Lehre sein.

Eine alte Kaufmannsregel lautet, den Wettbewerber lieber ein wenig zu überschätzen und sich zu freuen, wenn es nicht so schlimm kommt. Diese Vorsicht ist uns offensichtlich abhandengekommen. Das ist besorgniserregend für ein Land, das – hinter China – Vizeweltmeister im Exportgeschäft ist.

(Quelle: Handelsblatt 28.8.2011)

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