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Der einsamste Fahrzeughersteller auf der IAA

2011-09-17
 

Die weißen Sessel am Messestand sind unbesetzt, nur vereinzelt bleibt ein Besucher an einem der vier Autos stehen. Antonia Meier, die Hostess in weißem Kostüm und blauem Seidenschal, sitzt etwas verloren auf einem Stuhl hinterm Info-Tresen. Sie muss viele Fragen verneinen: Gibt es Informationsmaterial? Ist ein Firmenvertreter zu sprechen? Kann man nähere Auskünfte erhalten? Immer muss Frau Meier den Kopf schütteln. Selbst die Visitenkarten des Pressesprechers sind ausgegangen. Das letzte Exemplar liegt auf dem Tresen - man darf es abschreiben oder fotografieren.

Die triste Atmosphäre steht in bemerkenswertem Gegensatz zu den Hochglanzauftritten der anderen Hersteller. Man muss sich schon ein wenig auskennen in der Autowelt, um zu erkennen, dass dies der Stand des chinesischen Autoherstellers Changan ist, etwas abseits in Halle 6.1 der diesjährigen IAA in Frankfurt.

"Was ich Ihnen sagen kann", sagt Antonia Meier, "ist, dass die Firma Changan seit 1988 im Autogeschäft tätig ist. Außerdem wurde uns gesagt, dies sei der erste Messeauftritt der Marke in Europa überhaupt. Und dann weiß ich noch, dass Changan mehr als eineinhalb Millionen Autos pro Jahr produziert." Die junge Frau gibt sich Mühe und ist verbindlich - doch natürlich hätte man gern mehr gewusst über eine Marke, die vier ambitionierte Autos ausstellt, zwei davon kühne Studien mit Elektroantrieb.

Klar gezeichnete Studien

Zumindest optisch sind die Autos auf dem Changan-Messestand auf der Höhe der Zeit. Die 4,60 Meter lange Mittelklasselimousine Eado sieht elegant aus und macht einen soliden Eindruck. Sie verfügt laut Datenblatt über einen 1,6-Liter-Vierzylinder-Motor und ein Start-Stopp-System. Auch der nur 4,04 Meter lange Changan SUV ist sauber gezeichnet. Den Blick ins Innere verwehren dagegen komplett abgedunkelte Scheiben. Der Versuch eines französischen Journalisten, die Fahrertür zu öffnen, endete mit der unfreiwilligen Entfernung des Griffs.

Ein echter Hingucker ist die mehr als fünf Meter lange, coupéhafte Limousine namens Sense. Mit ihrem geduckten Aufbau, großen Rädern und Kameraaugen an filigranen Stegen, die gewöhnliche Außenspiegel ersetzen sollen, könnte sie einem italienischen oder kalifornischen Desginstudio entstammen. Unter der Rubrik "Leistungsdaten" finden sich im offiziellen Messefaltblatt jedoch nur Länge, Breite und Höhe der Studie. Auch hier sind aber Blicke ins Interieur offenkundig unerwünscht, denn Türgriffe hat man vorsichtshalber weggelassen.

Die Changan Automobile Co. Ltd. sitzt in Chongqing in Zentralchina. Kooperationen mit einem deutschen oder anderen europäischen Hersteller gebe es bislang noch nicht, heißt es. Auf der Web-Seite des Unternehmens ist zu lesen, dass Changan in elf Fabriken Fahrzeuge baut sowie in zwei weiteren Werken Motoren. Die Marke gehört zum Chana-Konzern, der unter anderem mit Ford, Mazda und Suzuki kooperiert. Als Vision gibt die Marke aus, zum weltweit führenden Automobilunternehmen aufsteigen zu wollen.

Siegeszug mit dem Elektroauto

Das wird offenkundig noch eine Weile dauern. Wie überhaupt die vor vier Jahren bei der IAA vielfach angekündigte Invasion chinesischer Automarken und Fahrzeuge auf dem europäischen Markt bislang ausgeblieben ist. Damals waren gleich mehrere chinesische Pkw-Bauer auf der IAA aufgetreten, es gab zum Teil Ärger mit frechen Plagiaten, später zerbröselten einige der für Europa vorgesehenen Modelle bei Crashtests spektakulär. Inzwischen gehören allerdings einige europäische Traditionsmarken wie Volvo (Geely) und MG (SAIC) chinesischen Eigentümern.

Des ungeachtet genießen die Chinesen großen Respekt in der Branche. Nicht wenige glauben, ihr Siegeszug werde spätestens mit dem Elektroauto nicht mehr aufzuhalten sein. In einigen Fällen geht die Zusammenarbeit schon über das lästige Pflichtprogramm hinaus, das erforderlich ist, um auf dem chinesischen Automarkt Fuß zu fassen. Der Daimler-Konzern schmiedete ein Joint Venture mit der ehemaligen Batterie-Hersteller BYD, der seit einiger Zeit auch Fahrzeuge herstellt. Zudem verkündete die chinesische Regierung, Milliardenbeträge in die Entwicklung und den Ausbau der Elektromobilität stecken zu wollen.

Von alldem ist auf der IAA in Frankfurt jedoch fast nichts zu sehen. über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Womöglich ist die völlige Neukonstruktion eines brauchbaren, alltagstauglichen Elektroautos und dessen Fertigung schwieriger als gedacht. Oder die Abkühlung der Weltkonjunktur lässt die Verantwortlichen zögern. Der Aktienkurs von BYD beispielsweise brach zuletzt binnen weniger Monate um mehr als 40 Prozent ein, der Umsatz und Gewinn gingen empfindlich zurück. Das große Raunen, die Chinesen würden schon bald den Automobilweltmarkt beherrschen, das bei der IAA vor vier Jahren noch allgegenwärtig war, ist diesmal in Frankfurt jedenfalls nicht zu hören.

(Autor:Jürgen Panderr )

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