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China kann uns nicht mehr retten

2011-10-15
Dass die letzte Krise so schnell überwunden wurde, lag an Chinas Konjunkturpaketen. Noch mal kann Peking den Westen aber nicht stützen - wegen der Schattenfinanzwirtschaft im Land.
 von James Kynge
Als Ende 2008 den USA und Europa wirtschaftliche Engpässe drohten, bündelte China die Macht seiner staatlich gelenkten Wirtschaft und sorgte für einen kräftigen Aufschwung, der eine Erholung der Weltwirtschaft antrieb. Dieses Mal fehlt es Peking spürbar an Durchschlagskraft.
Die vorige Anstrengung hat das Land so gründlich beansprucht, dass sich nicht mal nur die Frage stellt, ob China erneut die Weltwirtschaft von den Klippen wegsteuern kann, sondern vielmehr, ob das Land überhaupt noch selbst Kurs halten kann.
                                          
                    James Kynge leitet den auf China spezialisierten Analysedienst FTchina
Peking hatte noch nie so wenig Kontrolle über Angebot und Preise der Kredite wie jetzt. Ursache für diese geschwächte Position ist das Konjunkturprogramm von 2009/10.
Anfang 2009 ermutigte Peking die regionalen Regierungen, Kredite aufzunehmen und das Geld in die Infrastruktur zu investieren. Dann bemühte sich Peking, die Zinsen so niedrig wie möglich zu halten. Zum Teil diente das dazu, die Zinszahlungen der örtlichen Verwaltungen zu drücken - deren Schulden werden offiziell auf 10.717 Mrd. Yuan (1245 Mrd. Euro) geschätzt. Aber da die Sparzinsen weit unterhalb der Inflationsrate verharrten, zogen Sparer ihre Einlagen ab und deponierten sie bei zwielichtigen Finanzinstituten, die mit hohen Zinsen lockten.
Das hat zu einem Anschwellen des unregulierten Schattenbankwesens geführt. Dieses ist mittlerweile so groß, dass es der Wirtschaft mehr Geld zur Verfügung stellt als die offiziellen Banken. Das hat China Confidential herausgefunden, ein Analysedienst der Financial Times. Peking hat die Finanzkontrolle lange als wichtiges Werkzeug dafür genutzt, die Macht der Kommunistischen Partei zu stützen. Inzwischen ist die Zentralregierung jedoch sehr stark der Macht einer unregulierten Koalition ausgesetzt, die sich aus Treuhandgesellschaften, Privatbanken und Kredithaien zusammensetzt.
Diese Treuhandgesellschaften sind der größte und am stärksten etablierte Bereich des Schattensystems. Zumeist handelt es sich um eingetragene Unternehmungen mit festem Sitz. Die Vielzahl der "Untergrundakteure" dagegen existiert in einer Schattenwelt mit Koffern voller Bargeld und unbesicherter Darlehen. Ihre farbenfrohen Anzeigen finden sich auf den hinteren Seiten der Lokalzeitungen. Meist steht dort eine einzige Handynummer und ein verheißungsvoller Name wie "Himmlisch-leicht-Investments" oder "Schnelle Gewinne".
10.000 Investmentfirmen stehen unter Druck
Würde Peking versuchen, mit aller Kraft die Wirtschaft wieder antreiben zu wollen, würden sich derartige Institutionen wohl nur widerwillig dafür einspannen lassen. Aber solange es Schattenbanken in Hülle und Fülle gibt, neutralisieren sie die Fähigkeit der Regulierer, den großen Staatsbanken eine neue Runde Niedrigzins aufzuerlegen. Das Finanzsystem orientiert sich nämlich nicht länger am offiziellen Leitzins von 6,5 Prozent, sondern in etwa an dem, was die Treuhandgesellschaften bieten: rund 13 Prozent. Die Untergrundbanken haben sogar einen Kreditsatz von 30 bis 70 Prozent per annum.
Es sagt viel über den Zustand des staatlich regulierten Finanzsystems aus, dass im ersten Halbjahr die rentabelste Aktivität der Staatsbanken nicht die Kreditvergabe an Firmen war, sondern die Finanzierung von Treuhandgesellschaften und Untergrundbanken. Allerdings ist es auch verständlich, wenn die Banken ihre Gewinne maximieren wollen, speziell in Zeiten, wenn die Spareinlagen schwinden. In den ersten 15 Tagen des Septembers beispielsweise erlitten die vier großen Staatsbanken bei den Einlagen einen Nettoabfluss in Höhe von 420 Mrd. Yuan - mehr als viermal so viel, wie sie im selben Zeitraum an Krediten verliehen.
Nicht nur im Finanzwesen hat Chinas Fähigkeit zu antizyklischen Konjunkturprogrammen nachgelassen. Es wäre auch fraglich, was die örtlichen Regierungen zum Ankurbeln der Investitionen tun könnten. Bei der Kreditaufnahmewelle 2009/10 wurde vor allem Land als Pfand genutzt - aber in den meisten Städten gehen die Grundstücksverkäufe deutlich zurück, da die Landentwickler Cashflow-Probleme haben. Grund dafür ist eine Mischung aus rückläufigen Immobilienverkäufen und den saftigen Zinsen, die die Immobilienfirmen an Schattenbanken bezahlen müssen.
Regionalverwaltungen und ihre landesweit rund 10.000 Investmentfirmen stehen unter Druck. Wie groß der ist, zeigt sich daran, dass sie in einzigartigem Tempo beginnen, ihre Kronjuwelen zu versilbern: Zwischen Januar und Juli haben örtliche Einheiten der Kommission des Staatsrats für Kontrolle und Verwaltung des Staatsvermögens Firmenwerte für 3,31 Mrd. Yuan verkauft. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 2,35 Mrd. Yuan.
All das bedeutet: Falls die Regierung ein weiteres Konjunkturpaket anschieben will, könnte sie feststellen, dass es nicht so schnell und entschlossen geht wie noch 2009. Natürlich hat Peking noch Pfeile im Köcher - Staatsanleihen etwa oder Finanzspritzen für Banken und Investmentfirmen von Regionalverwaltungen. Hier könnte ein Teil der 3200 Mrd. Dollar zum Einsatz kommen, die man an Devisen hält. Aber derartige Methoden würden wahrscheinlich nicht ein so unmittelbares Wachstum auslösen wie 2009. Auch würde es nichts daran ändern, dass sich das Kapital, solange es ein hohe Renditen abwerfendes Schattenfinanzsystem gibt, dorthin orientiert, weg vom Staat - unter dem Strich bleiben weniger Mittel für ein vom Staat angeführtes Konjunkturpaket.
Für Chinas einst hoch gelobte Planer sind dies trübe Zeiten. Die staatliche Kommission für Entwicklung und Reform sei "ein Haufen kluger Leute, die etwas wirklich Dummes tun", sagt Professor Zhang Weiying von der Uni Peking. Für die Chinesen kann es ausgesprochen kompliziert werden, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Intervention des Staates und einem Schicksal, das von den Kräften des freien Marktes diktiert wird.
(Quelle:Financial Time Deutschland,12.10.2011)
 
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