Start   Bekämpfung COVID-19   Das Generalkonsulat   Konsularischer Service   Bildung und Kultur   Wirtschaft   Willkommen
in China
 
 Kontakt 
  Start > Wie sehen die Deutschen China
Warum Shanghai PISA-Sieger wurde ...

2011-12-08
 Shanghais Schüler haben bei der Pisa-Studie gezeigt, wer die Leistungsträger von morgen sind. Dafür geben diese jungen Chinesen alles.

Um sechs Uhr früh steht Joni auf. Eine halbe Stunde später schon absolviert sie wie die anderen 1600 Schüler ihrer Internatsschule einen 800-Meter-Lauf. Danach geht sie in ihre Klasse zum Lernen, noch bevor der Unterricht beginnt. Joni ist 17 Jahre alt und sie lebt in der chinesischen Megastadt Shanghai. Weil Joni weiß, dass sie sich nur mit Ehrgeiz und Leistung in ihrem 1,3-Milliarden-Volk behaupten kann, nimmt sie auch in Kauf, bis in den späten Nachmittag Unterricht zu haben. Dazwischen steht Sport auf dem Programm, danach Hausaufgaben. Um halb zehn Uhr abends ist Nachtruhe, um zehn gehen die Lichter aus.

Joni ist voll des Lobes über ihre Schule, die Jincai Highschool im modernen Pudong-Viertel Shanghais. Die öffentliche Schule wird von der Stadtregierung geführt und ist bestens ausgestattet. Der Campus mit Gebäuden in modernem, rotem und doch traditionell chinesischem Stil zieht sich über ein riesiges Areal, dazwischen sind begrünte Wege und Sportanlagen. Nicht das kleinste Papierstück liegt herum, sogar die weißen Schuluniformen strahlen hier.

60 in einer Klasse

Joni spricht nicht nur perfekt und akzentfrei US-amerikanisches Englisch, seit einem Jahr lernt sie auch Deutsch. Sie sitzt zusammen mit den 46 anderen Schülern in ihrer Klasse. In anderen Klassen sind es sogar bis zu 60 Jugendliche, jeder an seinem Tischchen, auf kleinem Raum. Es ist ein symmetrischer Schwarm nach vorne gebeugter schwarzer Köpfe in weißer Uniform. Jugendliche wie Joni haben im Jahr 2009 zum ersten Mal an der internationalen Pisa-Studie teilgenommen. Shanghai - mit seinen 20 Millionen Einwohnern - wurde als Stadt extra gewertet. Diese Schüler aus Fernost haben die Pisa-Experten maßlos erstaunt. Denn sie haben ihre Alterskollegen aus mehr als 60 teilnehmenden Ländern hinter sich gelassen.

Was macht sie so gut, besser als jene im großen Rest Chinas und im Ausland? "Die Eltern hier investieren mehr Geld und Zeit", sagt Zhang Lei, die Vizedirektorin der Jincai-Schule. Die Frau im beigefarbenen Kostüm und mit halblangen, welligen Haaren hat ebenfalls keine Probleme mit Englisch. In anderen Provinzen werde eben weniger gearbeitet, sagt sie. "Wir sind besser als andere Schulen im Wettbewerb." Dazu kommt, dass die hochtechnologisierte Industriestadt Shanghai ein Magnet für die besten Schüler in China ist. Auf die Ausbildung der Lehrer wird sehr viel Wert gelegt, der Lehrberuf hat in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen und die Gehälter sind gestiegen.

Strammstehen

Auf ihrer Webseite präsentiert sich die Jincai-Schule streng uniform. Tausende Schüler stehen in schnurgeraden Reihen auf einem Sportplatz vor dem Hauptgebäude. Das ist in China nichts Außergewöhnliches, man findet diese Zeremonien auch in Schulen Pekings und anderer Städte. "In der ersten Klasse bekommen die Neulinge ein militärisches Training", erzählt Zhang Lei "Das ist wichtig, damit sie Stärke und Disziplin erlangen."

Sport spielt dabei eine große Rolle, besonders seit 2007, als die Regierung dem zunehmenden Übergewicht bei Kindern den Kampf angesagt hat. Doch auch Demut sollen sie lernen. In der elften Stufe werden die Schüler für eine Woche auf einen Bauernhof geschickt, um das harte Leben dort zu erfahren.

Zu unterschätzen sind die Schüler Shanghais trotz all dem Druck und Drill allerdings nicht. "Viele von diesen Jugendlichen haben ihre Fähigkeit gezeigt, von ihrem Wissen abzuleiten und dieses sehr kreativ in neuartigen Situationen anzuwenden", sagte Pisa-Chef Andreas Schleicher anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse im Vorjahr.

Wir lernen hier viele wichtige Dinge

Lernen, lernen, lernen. Das ist das Leben von Schülern wie Joni. "Wir lernen hier viele wichtige Dinge", sagt sie auf Deutsch. Das ist ihre Fahrkarte nach oben. Und damit erfüllt sie die Erwartungen ihrer Eltern. "In China sind wegen der Ein-Kind-Politik sechs Erwachsene um ein Kind herum", sagt die Vizedirektorin Zhang Lei. 99 Prozent der Absolventen der Jincai-Schule gehen dann auch auf die Universität.

Viele gehen zudem ins Ausland. Globale Erfahrungen zu machen, darauf wird nicht nur in dieser Schule viel Wert gelegt. "Umsichtige Denker und lebenslange Lerner mit einer globalen Vision" will die Schule herausbringen. Dafür lädt sie sich auch Gastschüler aus vielen anderen Ländern ein.

Kameras in den Klassen gibt es im Gegensatz zu anderen Schulen Chinas nicht. Zu viel Lockerheit aber auch nicht und alles scheint in stetem Wettbewerb zu stehen. Auf dem Putzplan bei den Schlafräumen werden Punkte vergeben - hundert für jenes Zimmer, das am gründlichsten war. Meist stehen mehr als neunzig Punkte neben den Namen.

(Autorin: SONJA HASEWEND, SHANGHAI)
Suggest To A Friend
  Print