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Peter Anders über Kulturdialog zwischen China und Europa

2012-02-25
Wenn zwei Menschen "Kultur" sagen, meinen sie nicht unbedingt das Gleiche. Das zeigt sich auch im Dialog zwischen China und Europa. Kultur-Vermittler Peter Anders über gelungene und gescheiterte Annäherungen.

Deutsche Welle: Herr Anders, Sie sind seit Mai 2011 Leiter des Goethe-Instituts Peking. Was war zu Beginn besonders irritierend?

Peter Anders: Wenn Sie in ein Land kommen, das so boomt und ökonomisch so eine Lokomotive ist, dann wundern Sie sich, dass manche Dinge nicht so sind, wie wir sie in Europa kennen und wahrnehmen. Das sind Verhaltensweisen in Gesprächen oder Entscheidungswege, die für uns nicht immer gleich nachvollziehbar sind.

Sie haben nach ein paar Wochen in China einen Artikel geschrieben, in dem Sie darstellen, wie es Ihnen mit unterschiedlichen Denkmodellen ging. Sie haben das mit philosophischen Begriffen erklärt. Was wir in Deutschland als "Sein" bezeichnen, scheint es in China nicht in diesem Sinne zu geben, sondern statt dessen einen Prozess.

Das bezieht sich auf den Daoismus ("Lehre des Weges", Anm. d. Red.) und geht von einem anderen Begriff der Identität und des Individuums aus. Das ist in der Tat im Chinesischen im Fluss, im Werden. Für uns ist das manchmal nicht ganz nachvollziehbar, weil wir gerne Dinge sehr direkt und sehr prägnant nicht nur benennen, sondern auch entscheiden. Weil wir sozusagen von einem Ergebnis auf das nächste setzen und weniger gelassen verschiedene Wege und Umwege mitdenken können.

Können Sie an einem Beispiel deutlich machen, wo Ihnen das besonders aufgefallen ist?

Es ist fast Alltag. In der Regel gehen Sie ja als westlicher Mensch in ein Gespräch mit einem bestimmten Ziel. Sie sagen, heute möchte ich das Projekt bis an den Punkt bringen, dass wir wissen, wann und wo es wie stattfindet. Und dann merken Sie, dass Sie in diesem Gespräch plötzlich ganz woanders landen und die von Ihnen eigentlich beabsichtigte Klärung offener Fragen gar kein Gesprächsgegenstand mehr ist, sondern es um andere Dinge geht. Sie fragen sich, wie Sie wieder an das Ende kommen sollen. In der Regel kommen Sie dann nicht an das Ende, sondern müssen ein weiteres Gespräch führen, und da geht es dann wie von selbst und ganz selbstverständlich.

Umgekehrt geht es sicher den chinesischen Partnern mit den Europäern ähnlich, gerade auch in diesem Jahr, dem des "Kulturdialogs zwischen China und Europa". Kürzlich haben die europäischen Kulturinstitute dazu gemeinsam – unter Ihrer Beteiligung - einen zweisprachigen Kompass herausgegeben, um die Navigation zu erleichtern. Besonders interessant fand ich eine Rubrik, die fragt, ob wir das Gleiche meinen, wenn wir das Gleiche sagen. Zum Beispiel beim Begriff "Kultur".

Der Kulturbegriff umfasst im Chinesischen viel stärker das Prozesshafte, weil es ausgeht von den verschiedenen Wortbestandteilen "wén" und "huà". Darin haben Sie "Kultur" und "Wechsel", darin ist Transformation enthalten. Wenn Sie im Chinesischen von "wénhuà" sprechen, ist die prozesshafte Dynamik von kultureller Begegnung bereits Bedeutungsgehalt.

                             Peter Anders, Leiter des Goethe-Instituts Peking

Im europäischen Kontext hat der Begriff "Kultur" seinen Ursprung eigentlich in der Landwirtschaft. Wird man da als Europäer nicht ein bisschen kleinmütig und fühlt sich etwas rückständig im Kulturdenken?

Ja, aber es gibt auch schon Minister, die zunächst einmal Agrikultur betrieben haben und dann zu Kulturministern wurden, da gibt es die lustigsten Blüten. Man muss natürlich sagen, dass auch in China die Landkultur ein wichtiges Aufgabengebiet ist und immer war.

Was bedeuten denn solche Unterschiede für Ihre Praxis des interkulturellen Dialogs?

In der Genese von Projekten zeigt sich die unterschiedliche Bedeutung und Herangehensweise. Sie werden beispielsweise immer besser daran tun, wenn Sie versuchen, Ihrem Gesprächspartner eine Sache so schmackhaft zu machen, dass er sie selber am Ende als seine Idee versteht, die er einbringt. Das ist besser, als wenn Sie ihm als Westler sagen, wie Sie es gerne machen möchten.

Sie haben beruflich viele Jahre in anderen Kulturen zugebracht und sind ein Profi in Sachen Kulturdialog,. Hat sich nach Ihren ersten Monaten in China etwas an Ihrer interkulturellen Strategie verändert?

Ja, denn Sie müssen Klippen umschiffen. Und Sie werden keinen Erfolg haben, wenn Sie unmittelbar, direkt auf die Dinge zusteuern. Man kann es in unserem Kontext vielleicht auch Geduld nennen, aber ich würde eher sagen, dass man lernt, in der Entwicklung von Projekten den Prozess stärker zu schätzen.

 

(Quelle: Deutsche Welle,das Gespräch führte Aya Bach)

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