Start   Bekämpfung COVID-19   Das Generalkonsulat   Konsularischer Service   Bildung und Kultur   Wirtschaft   Willkommen
in China
 
 Kontakt 
  Start > Wie sehen die Deutschen China
Deutscher in chinesischem Vorstand

2012-05-01
 
 
                      
                        
                             Scheuch, Putzmeister-Gründer Schlecht, Sany Chef Liang
 Es ist der bisher wohl größte Übernahme-Deal einer chinesischen Firma in Deutschland. Anfang des Jahres kaufte der Baumaschinenkonzern Sany für 525 Millionen Euro den schwäbischen Betonpumpenhersteller Putzmeister. Die Firma war jahrzehntelang die weltweite Nummer eins in der Branche und steht für den Erfolg der mittelständischen deutschen Tüftler. Nun haben die Chinesen bei Putzmeister das Sagen. Im Gegenzug rückte Norbert Scheuch in den Sany-Vorstand auf. Die Investoren aus der Volksrepublik beschreibt er im Interview mit SPIEGEL ONLINE als Glücksfall - und erklärt, warum die Deutschen ihre Vorurteile begraben sollen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Scheuch, warum gibt es in Deutschland so große Vorbehalte gegenüber chinesischen Investoren?

Scheuch: Ich habe dafür ein gewisses Verständnis. Die chinesische Kultur hat sich 3000 Jahre lang unabhängig von der unsrigen entwickelt. Es ist also eine Begegnung mit dem Unbekannten. Daraus resultiert eine gewisse Unsicherheit. Aber wir werden uns an Investoren aus China gewöhnen müssen. Die Wirtschaftsdynamik ist dort so groß, dass in einigen Jahren mehr Investoren aus China zu uns kommen werden als etwa aus den USA. Wenn es dann mehr Annäherung gibt, wird sich auch eine positive Sicht der Dinge auf chinesische Unternehmen einstellen.

SPIEGEL ONLINE: Was gefällt Ihnen denn zum Beispiel an Ihren chinesischen Kollegen?

Scheuch: Das Angenehme ist, dass sie sehr direkt sind. Das erleichtert die Kommunikation. Man redet nicht über Probleme, sondern über Lösungen.

SPIEGEL ONLINE: Putzmeister-Gründer Karl Schlecht hat sein Unternehmen zum Weltmarktführer aufgebaut. Nun hat er es an Sany verkauft - ein Unternehmen, das in der kommunistischen Planwirtschaft aufstieg. Ist das für ein schwäbisches Familienunternehmen nicht ein Graus?

Scheuch: China erscheint mir nicht wirklich kommunistisch. In Shanghai gibt es ein Museum, die Gründungsstätte der kommunistischen Partei Chinas. In unmittelbarer Nähe liegen ein Rolls-Royce-Händler und eine Filiale des Juweliers Cartier. Das Land wird sehr pragmatisch geführt. In der Zeit, in der wir in Stuttgart über den Bau eines Bahnhofs diskutieren, bauen die Chinesen eine Volkswirtschaft auf.

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie sich bei Putzmeister überhaupt für einen Verkauf entschieden?

Scheuch: Durch die Finanzkrise geriet Putzmeister 2009 in Schieflage. Ich habe gesagt: Wir brauchen einen industriellen Investor, sonst schlittern wir bald in die nächste Krise. Und ein zweites Mal werden wir das nicht durchhalten. Wir wollten lieber aus einer Position der Stärke heraus handeln, als einen Notverkauf zu riskieren. Um möglichst viele Alternativen zu haben, haben wir eine weltweite Auktion gestartet.

SPIEGEL ONLINE: Und warum haben Sie sich dann für Sany entschieden?

Scheuch: Sany war unser gefährlichster Wettbewerber. Der Gewinn von Sany ist dreimal so groß wie unser Umsatz. Wenn eine solche Firma richtig Schwung holt und gewisse Märkte aggressiv ins Auge fasst, sieht es für einen Mittelständler wie Putzmeister schlecht aus.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie keine Angst, dass Sany sich das Know-how bei Putzmeister holt und den Laden dann einfach dicht macht?

Scheuch: Die Gefahr sehe ich nicht. Deutsche Ingenieurskunst wird in China mit großer Ehrfurcht betrachtet. Sie behandeln uns wie ein rohes Ei. Und wenn Sany von unserem guten Ruf profitiert und dadurch gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben, wäre ein wichtiges Ziel erreicht.

SPIEGEL ONLINE: Bleibt die Marke Putzmeister auf Dauer erhalten?

Scheucht: Es gibt keine Überlegungen, die Marke Putzmeister zu schwächen. Im Gegenteil: Wir wollen künftig eine breitere Produktpalette anbieten. Natürlich wird es einen Know-how-Transfer von Putzmeister zu Sany geben. Aber wir haben eine gute Marktabgrenzung. Putzmeister bearbeitet alle Märkte außer China und Sany den Heimatmarkt. Wir werden in China nur als Premiummarke präsent sein. Das ist eine Abgrenzung wie bei Volkswagen und Audi.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie ein Vorbild für die Zusammenarbeit deutscher und chinesischer Firmen liefern?

Scheuch: Ich sehe für mich persönlich keine missionarische Aufgabe. Aber die zentrale Angst, dass deutsche Arbeitsplätze verloren gehen oder chinesische Investoren unangemessen mit deutschen Beschäftigten umgehen, ist völlig unbegründet. Die Chinesen haben eine starke Verankerung im Konfuzianismus und daraus resultierend eine starke Fürsorgeverantwortung. Das zeigt sich auch am Sany-Standort Bedburg im Rheinland. Dort wurden Betonpumpen produziert, nun muss die Fabrik auf neue Produkte ausgerichtet werden. Es wird niemand entlassen, obwohl es für manche Mitarbeiter dort derzeit keine Beschäftigung gibt. Ich weiß nicht, ob ein US- oder europäischer Konzern so sozialverantwortlich vorgehen würde.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt aber auch die Berichte aus China über harte Arbeitsbedingungen, etwa beim Apple-Zulieferer Foxconn. Resultiert daraus die Angst vor skrupellosen Chinesen?

Scheuch: Ich kann nur für Sany sprechen. Ich glaube, dass wir ein Problem haben, uns einzugestehen, dass sich die wirtschaftliche Macht zugunsten Chinas verschiebt. Europa und die USA haben die Welt jahrhundertelang ökonomisch dominiert. Jetzt sind wir auf dem Zenith unseres Wohlstands angelangt. China dagegen ist hungrig und industriell auf dem Stand wie Deutschland in den fünfziger Jahren. Daraus entwickelt sich eine gewisse Aggressivität, die Dinge voranzutreiben.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es Unterschiede zwischen chinesischen und deutschen Managern?

Scheuch: In China herrscht eher ein Unterordnungsverhältnis, aus dem im Umkehrschluss Fürsorgepflicht resultiert. Der Chef wird weniger kritisiert, es wird mehr exekutiert. Unsere basisdemokratischen Elemente würden in China nicht funktionieren. Wir werden ein chinesisches Unternehmen nie deutsch machen und ein deutsches nie chinesisch. Chinesen trennen auch nicht so stark zwischen Geschäft und Privatleben. Mit jemandem, mit dem man sich privat nicht verträgt, kann man schwer Geschäfte machen. Und mit wem man Geschäfte macht, mit dem muss man sich auch privat vertragen. Darauf wird in China großer Wert gelegt.

SPIEGEL ONLINE: Was hat Sany denn gesagt, als Putzmeister-Mitarbeiter Anfang Februar gegen die Übernahme demonstrierten?

Scheuch: Es waren vielleicht 150 Mitarbeiter, die eine Spontankundgebung gemacht haben. Ich habe sofort einen Anruf aus China bekommen, was los sei. Ich habe ihnen erklärt, dass das in Deutschland normal ist und sie sich keine Sorgen machen müssen. In China ist man sehr sensibel, was diese Themen betrifft.

SPIEGEL ONLINE: Die Putzmeister-Beschäftigten haben auch eine Jobgarantie bekommen. Wie haben Sie die ihren chinesischen Kollegen verkauft?

Scheuch: Wir haben eine langfristige Vereinbarung bis 2020, dass wir im Hinblick auf den Zusammenschluss mit Sany keine Jobs nach China verlagern werden. Aber sollten etwa 2017 wegen schlechter Konjunktur betriebsbedingte Kündigungen notwendig werden, dann wäre das möglich.

SPIEGEL ONLINE: Sany lässt Ihnen also ziemlich freie Hand?

Scheuch: Sany kauft Putzmeister und zieht sich zugleich von allen Märkten außerhalb Chinas zurück. Der Käufer nimmt sich also zurück. Bei einem amerikanischen oder europäischen Investor wäre das undenkbar. Die würden uns jetzt erklären, wie die Welt funktioniert.

SPIEGEL ONLINE: Empfinden Sie es als etwas Besonderes, der erste Deutsche in einem chinesischen Vorstand zu sein?

Scheuch: Ich glaube, ich bin sogar der erste Europäer in einem chinesischen Vorstand.

SPIEGEL ONLINE: Und wie laufen die Sitzungen ab?

Scheuch: Das läuft sehr diszipliniert. Da wird pünktlich angefangen, pünktlich aufgehört. Vorträge werden gehalten, es wird nicht dazwischengeredet. Am Ende wird diskutiert und entschieden. Konferenzsprache ist chinesisch. Bei sechs Chinesen und einem Nicht-Chinesen ist das logisch. Für mich wird mit Simultandolmetscher übersetzt. Mein Chinesisch reicht nur für Guten Tag und Tschüss. Ich lerne derzeit Chinesisch und arbeite noch daran, eine Unterhaltung führen zu können.

SPIEGEL ONLINE: Lernen denn Ihre chinesischen Partner auch Deutsch?

Scheuch: Nein. Man kann nicht erwarten, dass ein chinesischer Großkonzern unseretwegen Deutsch lernt.

Das Interview führte Maria Marquart

(Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,830214,00.html)

Suggest To A Friend
  Print