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"Magisches Schiff" ruft den "Seedrachen"

2012-06-25
 

Von Christoph Seidler

Machtdemonstration ganz oben und ganz unten: Chinas Staatsmedien bejubeln zwei technologische Erfolge. Raumfahrern gelang ein historisches Manöver im Erdorbit. Gleichzeitig stellte die Crew eines Tiefseefahrzeugs einen neuen Rekord am Ozeanboden auf.

Der 24. Juni 2012 wird als Tag des technologischen Triumphs in die chinesischen Geschichtsbücher eingehen. In gleich zwei Bereichen hat das Land seine Leistungsfähigkeit öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt - in extremer Höhe und großer Tiefe. Rund 365 Kilometer über der Erde machte am Sonntag die Besatzung des Raumschiffs "Shenzhou 9" ("Magisches Schiff 9") zum ersten Mal mit einem manuellen Docking am Orbitallabor "Tiangong 1" ("Himmlischer Palast") fest. Gleichzeitig gelang der Crew des Tauchboots "Jiaolong" ("Meeresdrache") im westlichen Pazifik ein aufsehenerregender Ausflug, sieben Kilometer hinab in die Tiefsee.

Blicken wir zuerst nach oben: Dass es Kommandeur Jing Haipeng, seinem Kollegen Liu Wang und Chinas erster Raumfahrerin Liu Yang gelang, ihren Transporter im All an einen zehn Meter langen fliegenden Zylinder zu koppeln, mag zunächst nicht sonderlich spektakulär erscheinen. Astronauten und Kosmonauten der großen Raumfahrtnationen machen so etwas seit Jahrzehnten.

Doch tatsächlich ist das Manöver ein wichtiger Schritt für den geplanten Bau einer chinesischen Station im All. Die soll irgendwann gegen Ende dieses Jahrzehnts um die Erde kreisen - nicht zuletzt, weil sich die Amerikaner vehement gegen eine Beteiligung Chinas an der Internationalen Raumstation sperren. Das Koppelungsmanöver zeigt: Peking kommt auch allein voran.

Und auch das Tauchboot ist vor allem ein Zeichen dafür, was chinesische Ingenieure mittlerweile weitgehend eigenständig leisten: Die "Jiaolong" erreichte im Marianengraben eine Tiefe von 7020 Metern, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua - ein neuer chinesischer Rekord. An Bord der orange-weißen Kapsel waren die drei Tauchbootpiloten Ye Cong, Liu Kaizhou und Yang Bo. Während eines dreistündigen Aufenthalts am Ozeanboden hätten sie Wasser- und Sedimentproben entnommen sowie "Markierungen" hinterlassen.

Nachdem ein 13 Meter hoher Kran ihr Gefährt nach elfstündiger Fahrt wieder aus dem Wasser gehoben hatte, wurde das Trio begeistert gefeiert. Eine in Russland gefertigte Titanhülle schützte die drei Tiefseefahrer vor den mörderischen Druckverhältnissen - auch optisch erinnert ihr Gefährt an die russischen "Mir"-Tauchboote. Doch große Teile der Entwicklungsarbeit fanden am China Ship Scientific Research Center in Wuxi statt.

Technikprobleme bei Probefahrten

Mit dem Abstieg in sieben Kilometer Tiefe hat die "Jiaolong" nun ihre maximale Einsatztiefe erreicht. Die chinesischen Staatsmedien rühmen, dass das Land auf diese Weise 99,8 Prozent des weltweiten Ozeanbodens erreichen könne. Das Tauchboot und sein Trägerschiff "Xiangyanghong 09" waren seit Anfang des Monats im Westpazifik unterwegs, um den Rekordversuch vorzubereiten. Ganz langsam hatten sich die Crews bei den vorherigen Tests in Richtung der 7000 Meter vorgewagt. Am Freitag waren bereits 6962 Meter erreicht worden; nun ist die symbolische Marke also geknackt.

Bei den Probefahrten des Tauchvehikels waren allerdings auch Technikprobleme aufgetreten, unter anderem am Hydrauliksystem; auch das Kommunikationssystem zickte. Doch bei der Fahrt am Sonntag ging offenbar alles so weit glatt - und die Tauchbootcrew konnte brav Grüße zu ihren Kollegen im All schicken, berichtet die US-Nachrichtenagentur UPI.

Die "Jiaolong" kann tiefer sinken als die wenigen Wissenschaftstauchboote, die es weltweit überhaupt noch gibt. Immer wieder ist der Satz zu lesen, dass mehr Menschen auf dem Mond waren als in der Tiefsee. Schuld ist ein beängstigendes Desinteresse der Staaten am Ozeangrund - und damit fehlende Investitionen in Technik. Den bisherigen Tiefenrekord der aktiven Tauchboote hielt das japanische Modell "Shinkai 6500", das sich nun mit Rang zwei zufriedengeben muss.

China hat erklärt, sich mit dem "Seedrachen" Zugriff auf Rohstoffe am Ozeanboden sichern zu wollen. Tatsächlich schwingt in diesem Satz aber eine gehörige Portion Propaganda mit. Peking hat zwar in der Tat großes Interesse an solchen Ressourcen - Rohstoffsicherung ist eine der Prioritäten chinesischer Außenpolitik. Doch tatsächlich lassen sich die geologischen Verhältnisse am Meeresboden besser mit unbemannten Fahrzeugen erkunden, die eigenständig sehr große Flächen abfahren können. Bestenfalls zur punktuellen Präzisierung der Ergebnisse ist ein bemanntes Tauchboot interessant.

Niemand weiß, ob sich Tiefseebergbau wirtschaftlich lohnt

Zur Ausbeutung der entdeckten Vorkommen ist außerdem weitere Technik nötig, die noch entwickelt werden muss. Ob der Bergbau am Boden des Pazifiks, für den die Chinesen genau wie Deutschland Suchlizenzen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika gekauft haben, wirtschaftlich machbar wäre, ist noch nicht klar.

Gleichzeitig interessiert sich Peking massiv für die Erforschung des Südchinesischen Meeres, wo es einerseits größere Mengen an Gashydraten und andererseits - wegen umstrittener Seegrenzen - große politische Spannungen zwischen den Anrainerstaaten gibt. Insofern muss man die "Jiaolong" vor allem als Zeichen der technologischen Leistungsfähigkeit verstehen - und ihre Rekordfahrt als Machtdemonstration.

Wie im Raumfahrtprogramm verfolgt China auch in der Tiefsee seine Ziele mit großer Beharrlichkeit - und überschaubarer Geschwindigkeit. Im Marianengraben hatten der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh schon vor mehr als 50 Jahren eine Tiefe von 11.000 Meter erreicht. Zuletzt tauchte Ende März Filmregisseer James Cameron mit seiner "Deepsea Challenger" zum tiefsten Punkt der Erde, allerdings ohne großen wissenschaftlichen Anspruch. Auch das Team von Virgin Oceanic wird sich, unterstützt von Milliardär Richard Branson, an einem ähnlichen Tauchgang versuchen.

Doch Peking geht es nicht um Rekorde und Schnelligkeit, sondern darum, die eigenen Fähigkeiten systematisch auszubauen - und sie propagandistisch möglichst gut auszuschlachten. So traten am Sonntag auch die drei chinesischen Raumfahrer im "Himmelspalast" brav zur Begrüßung ihrer Kollegen im "Seedrachen" an: "Wir wünschen Chinas bemanntem Tauchbootprogramm einen größeren Erfolg. Möge unser Mutterland gedeihen."

(Quelle: spiegel-online)

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