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Nordwestprovinz Xinjiang:Chinas stille Reserve

2012-07-18
Das Wachstum in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt schwächt sich ab. Viele Ökonomen beunruhigt das nicht, denn der Westen des Landes bietet noch riesiges Potential. Hier lagern nicht nur Rohstoffe. Im Westen Chinas leben mehr Menschen als in den Vereinigten Staaten.

Chinas Nordwestprovinz Xinjiang ist für vieles bekannt, nicht aber für deutsche Autos. Schlagzeilen machen dort eher die Auseinandersetzungen zwischen den Han-Chinesen und der muslimischen Minderheit der Uiguren. Berühmt sind die geographischen Superlative. Die Taklamakan ist die zweitgrößte Sandwüste der Welt. Keine andere Hauptstadt liegt so weit vom Meer entfernt wie die Provinzkapitale Urumqi. Im Tianshan-Gebirge zeigt ein riesiges Thermometer Chinas heißesten Ort an. Die „Autonome Region", wie Xinjiang offiziell heißt, ist die größte Provinz Chinas. Auf 17 Prozent der Gesamtfläche wohnen nur 1,5 Prozent der Bevölkerung. Aber das sind immer noch 21 Millionen Menschen, und deshalb hat die Autoindustrie Xinjiang als Markt entdeckt.

Als erster ausländischer Fahrzeughersteller errichtet Volkswagen in Urumqi ein eigenes Werk. Die Investitionen betragen rund 170 Millionen Euro. Der Grundstein wurde vor wenigen Wochen gelegt, in drei Jahren sollen hier 50000 Autos vom Band rollen. In der gleichen Stadt hat die Konzernmarke Audi, der Marktführer unter den Luxuskarossen, kürzlich einen großen Händlerbetrieb eröffnet.

Die deutsche Gruppe folgt in China einer eigenen „Auf-nach-Westen"-Strategie, um von dem Aufschwung in den bisher unterentwickelten Landstrichen zu profitieren. Der erste Schritt der Wolfsburger war die Eröffnung einer Fabrik in Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan, jetzt folgt Xinjiang. „In vielen Westprovinzen Chinas wird das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren über dem Durchschnitt liegen", sagt Audi-Landeschef Dietmar Voggenreiter. „Diese Dynamik bietet weiteres Absatzpotential auch für Premiumautos."

„Wir wollen in den Westen Chinas"

Ähnlich begeistert drängen andere Autobauer ins Hinterland. Porsche, das bisher nicht in China fertigt, hat in dieser Woche einen Händlerbetrieb in Lanzhou eröffnet, der Hauptstadt von Gansu. Ford betreibt in Chongqing, dem Stadtstaat am Jangtse, seine wichtigste Fertigung außerhalb von Michigan. Ähnlich beliebt ist Chinas Westen bei der Elektronikindustrie. Intel, Hewlett-Packard, Dell, Foxconn, Inventec siedeln in der Großregion Chengdu-Chongqing. Siemens sitzt in Xi'an. BASF steckt eine Milliarde Euro in ein Werk in Chongqing. „Wir wollen in den Westen Chinas, weil hier wesentliche Abnehmerindustrien angesiedelt sind", sagt BASF-Vizechef Martin Brudermueller. Chongqing zähle mehr als 30 Millionen Einwohner; noch viel größer sei das Einzugsgebiet.

Insgesamt leben in den zwölf von der Regierung als Westchina definierten Regionen rund 360 Millionen Menschen. Das sind mehr als in den Vereinigten Staaten. Die Bevölkerung wird immer wohlhabender und sorgt deshalb für eine gewaltige Nachfrage auch nach Logistikdienstleistungen. „Ein Schwerpunkt unseres Wachstums liegt in Westchina", sagt Frank Appel, der Chef der Deutschen Post DHL, des größten Logistikkonzerns der Welt. Deshalb fliege sein Unternehmen als erster internationaler Logistiker Chengdu an. Schon jetzt ist China der wichtigste Markt für DHL, ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Bis 2025 würden hier 5 Millionen neue Gebäude errichtet, die Hälfte des Weltbedarfs, rechnet Appel vor. Darunter seien 50 000 Wolkenkratzer, der zehnfache Bestand von New York City. In 13 Jahren werde es in China 221 Millionenstädte geben, in Europa 35.

Ein großer Teil dieses Nachholbedarfs wird aus Westchina kommen, weshalb die Unternehmen sich dafür rüsten. Sie tun das nicht immer ganz freiwillig. Die Regierung hält sie in ihrer typischen Mischung aus Anreizen und politischem Druck recht unverblümt dazu an. Seit dem Jahr 2000 päppelt Peking die Region gezielt auf und hat dafür Milliarden in die Infrastruktur und in staatliche Betriebe gesteckt. Zuletzt flossen neben speziellen „Aufbau-West-Mitteln" große Teile des Konjunkturpakets von 500 Milliarden Euro hierher.

„Riesige ungehobene Potentiale"

Die vernachlässigten Gebiete holen auch deshalb auf, weil die bisherigen Boomregionen im Süden, Osten und Norden ihren Zenit überschritten haben. In den Industriehochburgen des Perlfluss- und Jangtsedeltas oder der Großregion Peking/Tianjin lässt sich das exorbitante Wachstum der vergangenen Jahrzehnte nicht aufrechterhalten. Das liegt an der Sättigung des Markts, an Auflagen wie den Zulassungsbeschränkungen für Fahrzeuge in Peking, Kanton und anderswo, es liegt an den steigenden Produktionskosten, am Arbeitskräftemangel und an der oft einseitigen Exportausrichtung.

(faz.net 13.7.2012)

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