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"Made in China" auf dem Weg zur Top-Marke

2012-08-21

Produkte aus der Volksrepublik gelten als billig und minderwertig. Doch das stimmt immer seltener. Viele Konzerne setzen auf Qualität und wollen sich weltweit als Top-Label etablieren.

Made in China? Das ist billig, ganz klar, schlecht verarbeitet und übersteht die erste Wäsche nicht. Ach ja, und kopiert ist es auch, keine Frage. Lionel Derimais zieht die Augenbraue hoch und grinst ironisch. Er kann es nicht mehr hören, die Litanei über chinesische Produkte, die angeblich den internationalen Standards nicht entsprechen.

"Es ist nicht alles Mist, was aus China kommt", sagt Lionel Derimais und rührt in seinem Cappuccino im Café de Paris in London. Er ist Franzose, 52 Jahre alt, Fotograf in London. Sechs Jahre lang hat er zuvor in Peking gearbeitet.

Dort stieß er auf viele chinesische Unternehmen, die sehr wohl hochwertige und einzigartige Produkte herstellen. Die müssen viel bekannter werden, dachte er sich und sich gründete das Online-Magazin " Nicely made in China made in China".

Stolze Chinesen

Nicely stellt Leute vor, die Dinge in kleinen Stückzahlen fertigen, mit einem besonderen Dreh und einem besonderen Anspruch an die Qualität – egal, ob es sich um Möbel aus Bambus, Kapuzenpullis oder Teppiche handelt.

Es sind sowohl Chinesen als auch Ausländer, die in "Nicely made in China" vorkommen. Das verbindende Element: Sie alle produzieren in China. Er glaubt, dass die Zeit reif ist, dies in den Vordergrund zu stellen. "Mehr und mehr Chinesen sind stolz auf die Produkte aus ihrem Land."

Lionel Derimais ist einer von vielen, der inzwischen gezielt auf "Made in China" setzt. Der Slogan, der seit der Öffnung des Landes für westliche Firmen in den 80er Jahren für riesige Stückzahlen, niedrige Herstellungskosten und minderwertige Qualität stand, soll nun, da die chinesische Wirtschaft erwachsen wird, mit Innovation, Einzigartigkeit und detailgetreuer Verarbeitung verbunden werden.

Das gilt für kleine Manufakturen, aber auch für chinesische Firmen, die im industriellen Maßstab produzieren. Internationale Unternehmen reagieren, indem sie eigene Marken für ihre chinesischen Kunden gründen.

Produkte mit dem gewissen Etwas

Virginie Fournier ist eine der Unternehmerinnen, die Nicely made in China vorstellt. Die 48-Jährige hat seit 1998 ein Unternehmen namens "Shanghai Trio", das handgefertigte Taschen, Portemonnaies und Kleidung anbietet. Ihr geht es darum, ihren Kunden ein Gefühl von Wertigkeit zu vermitteln. "Enjoy details", erfreue dich an den Details, pfeift der chinesische Briefträger, der in die Innenseite eines der Portemonnaies genäht ist, die Virginie Fournier verkauft.

"Die Chinesen müssen verstehen, dass sie hohe Qualität kaufen können, wenn sie lokale Produkte kaufen", sagt Virginie Fournier. Neben den drei Läden, die sie in China hat, ist Virginie Fournier auch in London und in Paris vertreten. 45 ihrer Mitarbeiter sind in China, vier in Europa. "Nicht das "wo" ist entscheidend, sondern das "wie"", sagt sie. Das verstünden mehr und mehr Kunden – sowohl in Europa als auch in China.

Höherer Wohlstand, höhere Ansprüche

Angesichts des steigenden Wohlstands im Land können sich inzwischen mehr Chinesen aus der Mittelklasse die Geldbörsen von Virginie Fournier leisten. In den großen Städten, allen voran Shanghai und Peking, steigen die Einkommen und die Lebenshaltungskosten. Bis 2020, so schätzt die Unternehmensberatung McKinsey, wird sich das frei verfügbare Einkommen in Stadt-Haushalten in China verdoppeln.

Während 2010 nur 18 Millionen Haushalte in China auf ein Jahreseinkommen von über 16.000 Dollar kamen, werden es McKinsey zufolge 2020 schon 167 Millionen sein – das sind fast 400 Millionen Menschen. Über 40 Millionen Chinesen verdienen schon heute mehr als 30.000 Dollar im Jahr und gehören damit zur Mittelklasse. Auf sie haben es westliche und chinesische Firmen abgesehen.

Auch für industriell gefertigte Produkte wird Qualität dabei zum Hauptargument, weiß Waldemar Pförtsch, Professor für International Business an der Hochschule Pforzheim. "Der chinesische Kunde lernt die Qualität zu schätzen", sagt er. "Wer ein Auto kauft und zwei Jahre später wieder im Autohaus steht, der überlegt sich, ob er beim nächsten Mal nicht von Anfang an mehr investiert.

Da findet gerade ein Lernprozess statt." Das erkläre auch, warum westliche Markenprodukte nach wie vor in China so beliebt seien: bei BMW, Louis Vuitton oder Montblanc sei der Kunde sicher, dass das Produkt auch ein Jahr nach dem Kauf noch funktioniert, sagt Pförtsch.

Auch Chinesen meiden billigen Wasserhähne

Er hat drei Jahre lang an der China Europe International Business School ( CEIBS) in Shanghai gelehrt und zum Thema Qualitäts- und Markenmanagement geforscht. Den Lernprozess hat er nicht nur bei Konsumgütern, sondern zum Beispiel auch beim Hausbau beobachtet: "Wer in China ein Haus kauft, der macht den Innenausbau selber", sagt Pförtsch.

"Viele Chinesen haben beim ersten Hauskauf auf billige Wasserhähne gesetzt. Das machen die kein zweites Mal." Inzwischen gebe es viele chinesische Anbieter, die eine vergleichbare Qualität lieferten – zu ähnlichen Preisen wie denen, die die deutschen Hersteller verlangen. "Eine wachsende Zahl chinesischer Konsumenten entscheidet sich deshalb heute für ein hochwertiges chinesisches Produkt", erklärt Markenexperte Pförtsch.

Ausländische Firmen reagieren auf diese Entwicklung, indem sie Marken und Produktlinien speziell für China entwickeln. So hat der Jeanshosen-Hersteller Levi´s Modelle für schmale Asiaten im Sortiment, Dior vertreibt sein "Shanghai Blue Phone" nur in der chinesischen Küstenmetropole.

Der Industrie-Dienstleister Atlas Copco hat inzwischen vier chinesische Marken. Und der französische Luxus-Konzern LVMH hat speziell für China die Marke "Shang Xia" geschaffen. Langfristig soll Shang Xia auch nach Europa kommen.

China goes West

Dass diese Strategie funktionieren kann, zeigt das Beispiel Lucas Bols: der niederländische Likörproduzent kreierte extra einen "Yoghurt-Likör", um die chinesische Nachfrage nach Likören auf Milch-Basis zu bedienen und führte das Produkt zunächst in China und Russland ein. Erst im Mai 2012 folgte die Markteinführung in Großbritannien, auch online vertreibt Bols den Chinesen-Schnaps inzwischen.

Parallel dazu steigt die Zahl der chinesischen Unternehmen, die international vermarkten – sowohl, um im Ausland Kunden zu gewinnen, aber auch, um das Produkt für die chinesischen Kunden attraktiver zu machen. Li Ning, der 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking die Fackel trug, ging mit seinem gleichnamigen Sportartikel-Unternehmen auch nach London und Paris, um dort Läden zu eröffnen.

US-Basketball wird chinesisch

Aktuell fördert er in London die Basketball-Olympiamannschaften von Spanien und Argentinien. "Davon sollen die Chinesen in der Heimat erzählen", sagt Waldemar Pförtsch. Auch der Konkurrent Peak ist inzwischen mit Shops in den USA vertreten und sponsort die amerikanische Basketballvereinigung NBA.

Bislang waren Deals dieser Art nur Nike oder Adidas vorbehalten. Denselben Schritt machte Harbin, eine Brauerei aus dem chinesischen Norden, die seit wenigen Monaten Partner der NBA ist – und damit in vielen U-Bahn-Stationen in Shanghai wirbt.

Die chinesische Regierung fördert diese Expansion der heimischen Unternehmen im Ausland, allerdings nicht in allen Branchen. "Die Chinesen überlegen sich sehr genau, wann sie nach Europa gehen", sagt Waldemar Pförtsch. So verkauften chinesische Hersteller ihre Lkw derzeit eher nach Usbekistan, Ägypten und Sri Lanka, sind die dortigen Kunden doch weniger anspruchsvoll als die in Europa.

Nach der verhaltenen Reaktion auf die Ankündigung der Chinesen vor knapp sechs Jahren, bald in Europa Autos anzubieten, wartet Peking nun ab, bis die Qualität wirklich stimmt.

Traditionelle Marken werden wiederbelebt

Gleichzeitig fördert die chinesische Regierung so genannte Time honored brands (THB). Diese historischen Marken müssen mehr als 50 Jahre alt sein, um das THB-Siegel zu bekommen. Es sind vielfach Überbleibsel aus der Zeit, als China noch eine Planwirtschaft war, wie zum Beispiel die "Fliegende Taube", eine Fahrradmarke, die in den 70er-Jahren in China sehr beliebt war.

Doch von mehreren zehntausend alten Marken sind nur rund 30 Prozent übrig geblieben. Knapp zehn Prozent davon sind profitabel. "Diese Unternehmen müssen jetzt modernisieren", sagt auch Waldemar Pförtsch und nennt als Beispiel die Scheren, für die die Stadt Hangzhou, knapp zwei Zugstunden von Shanghai entfernt, bekannt ist.

"Diese Scheren sind so gut wie die aus Solingen", sagt Waldemar Pförtsch. "Aber die Produktion muss jetzt moderner werden, die Scheren brauchen einen Plastikgriff."

(Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/article108563568/Made-in-China-auf-dem-Weg-zur-Top-Marke.html)

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