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Investoren fürchten den großen China-Kollaps

2012-08-22

Dass es in China nicht mehr so richtig rund läuft, ahnen viele schon lange. Die geplatzte Immobilienblase fordert Tribut. Die Exporte schwächeln. Und der Aktienmarkt kennt seit Monaten nur noch den Weg abwärts. Während der deutsche Aktienindex Dax in der vergangenen Woche wieder bravourös über die Marke von 7000 Punkten hüpfte, erreichte der Shanghai Composite Index den tiefsten Stand seit der Finanzkrise.

Doch allmählich wird vielen mulmig. Denn die schlechten Nachrichten reißen einfach nicht ab. Viele beschleicht daher inzwischen das Gefühl, dass es jetzt ans Eingemachte geht. "Immer mehr Investoren stellen die Wachstums-Story Chinas in Frage", stellt Jim O'Neill, Chef von Goldman Sachs Asset Management, fest.

Das allerdings wäre eine völlig neue Dimension. Denn China ist heute nicht irgendein Markt. Es ist der Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft schlechthin, und auch das Wohl und Wehe der Finanzmärkte hängt größtenteils davon ab, wie es dort läuft. Ein Kollaps der chinesischen Wirtschaft hätte katastrophale Folgen für China, für die Welt, für Deutschland.

100.000 Apartments stehen leer

Um zu erkennen, was in China schief läuft, muss man nur offenen Auges durchs Land fahren. Beispiel Chenggong: Die Trabantenstadt in der südchinesischen Provinz Kunming besteht aus rund 100.000 Apartments. Sie stehen komplett leer. Beispiel Yujiapu: Im neuen Geschäftszentrum von Tianjin entsteht derzeit so viel neue Bürofläche, dass es 25 Jahre dauern dürfte, diese zu füllen – bei den aktuellen Wachstumsraten. Beispiel New South China Mall: Der riesige Shopping-Komplex in der südchinesischen Stadt Dongguang mit Platz für 1500 Geschäft steht praktisch komplett leer.

Die Liste wäre unendlich fortzusetzen. Der Bauboom der vergangenen Jahre in China hat zu Überinvestitionen in gigantischem Ausmaß geführt. Die Preise für Wohnimmobilien sind daher in den vergangenen Monaten bereits deutlich gesunken. Die letzten Daten zeigten zwar wieder einen kleinen Zuwachs. Dies liegt aber vor allem daran, dass die Regierung ein Förderprogramm für Erstkäufer von Wohneigentum aufgelegt hat.

Fabriken nur noch zu 60 Prozent ausgelastet

Doch nicht nur der Immobilienmarkt ist überhitzt. Auch viele Industrieanlagen stehen ungenutzt herum, die Maschinen in den Fabriken sind gerade noch zu 60 Prozent ausgelastet, vor Beginn der Finanzkrise lag der Wert bei 80 Prozent, vor zehn Jahren sogar bei 90 Prozent. Mehr noch: Auch die Infrastruktur ist inzwischen mindestens ausreichend ausgebaut. Jede größere Stadt hat schon einen nagelneuen Flughafen, Hochgeschwindigkeitstrassen durchschneiden das ganze Land, das Autobahnnetz ist bestens in Schuss.

Irgendwann ist einfach alles gebaut, selbst in einem Riesenreich wie China. Doch genau das ist das Problem. Denn derartige Investitionen waren zuletzt für rund fünf Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums von etwa acht Prozent verantwortlich. Das heißt: Wenn die Investitionen ab jetzt nur konstant bleiben, also nicht weiter wachsen, dann sinkt die Wachstumsrate um fünf Prozentpunkte. Tatsächlich stagniert beispielsweise der Autobahnbau, die Investitionen in Eisenbahnstrecken sind sogar drastisch zurückgegangen.

Investoren ergreifen die Flucht

Doch das ist noch immer nicht alles. Auch der Außenhandel schwächelt. Im Juli legte der Export gerade noch ein Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, im Juni waren es noch über elf Prozent. Und die ausländischen Direktinvestitionen in China brachen im Juli sogar um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. Zudem verlässt inzwischen mehr Geld das Land als reinkommt – Investoren ergreifen die Flucht.

Das bisherige Wachstumsmodell – Investitionen und Exporte – scheint daher am Ende. Doch selbst das wäre noch nicht so bedrohlich, wenn denn ein neues an seine Stelle träte. Tatsächlich strebt die Regierung auch bereits seit Jahren genau dies an. Sie will weg von Investitionen und Exporten, und hin zu mehr Binnenkonsum. Auch die vielen China-Kenner und Beobachter aus dem Ausland empfehlen genau dies seit mindestens fünf Jahren.

Anziehen der Inflation droht

Jedoch: Es klappt bisher einfach nicht. Im Gegenteil. So sind die Einzelhandelsumsätze im Juli den dritten Monat in Folge gesunken. Die Summe der neu vergebenen Kredite hat sich sogar halbiert. Zudem droht nun schon wieder ein Anziehen der Inflation. Denn die explodierenden Preise für Mais und Soja auf dem Weltmarkt betreffen auch China.

Die rasant steigende Nachfrage nach Fleisch in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass das Land heute einen großen Teil der Futtermittel, meist Mais und Soja, importieren muss. Damit ist es aber vom Weltmarkt abhängig. Wenn dort die Kosten steigen, treibt dies folglich auch die chinesischen Lebensmittelpreise. Nahrungsmittel wiederum stehen immer noch für rund 30 Prozent des chinesischen Warenkorbes – in Deutschland sind es nur 10,5 Prozent. Ein Konsumrausch kann daher bei rasant steigenden Lebensmittelpreisen in China sicher nicht entstehen.

Hustet China, bekommt die Welt eine Lungenentzündung

Viele Investoren hegen angesichts all dieser Probleme nun erstmals Zweifel an der Fähigkeit Pekings, die wirtschaftliche Entwicklung zu lenken – etwas völlig Neues. "Am Markt herrschte bisher eine Art Gottvertrauen, dass die Regierung eine sanfte Landung der Wirtschaft organisieren kann", so Albert Edwards, Stratege bei der Société Générale. Er warnt seit Langem, dass dies ein Trugschluss sein könnte. Und nun dünkt vielen, dass er Recht haben könnte.

Leidtragende einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft wären jedoch nicht die Chinesen allein. Das Land steht inzwischen für rund 15 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, knapp hinter den USA (19 Prozent). Hustet China, bekommt der Rest der Welt daher eine Lungenentzündung. Am stärksten betroffen wären die asiatischen Nachbarn. So bewirkt eine Verringerung des chinesischen Wachstums um einen Prozentpunkt, dass in Taiwan die Wirtschaft um 0,9 Prozentpunkte weniger wächst.

Notenbank als Retter in der Not

In Deutschland betrüge der Rückgang zwar nur etwa 0,1 Prozentpunkte. Doch im vergangenen Quartal wuchs die Wirtschaft hierzulande gerade noch 0,3 Prozent. Bei einem Wachstum von fünf statt acht Prozent in China wäre Deutschland daher schon in der Rezession – ganz zu schweigen von den anderen Euro-Ländern, die jetzt schon mit einer schrumpfenden Wirtschaft zu kämpfen haben.

Die ganze Hoffnung der Welt ruht daher derzeit darauf, dass China doch noch das Ruder herumreißen kann. Als Retter in der Not erscheint dabei die chinesische Notenbank. Sie könnte die Zinsen senken und die Kreditvergabe ausweiten. Gleichzeitig könnte die Regierung neue Wachstumsprogramme auflegen.

Dies dürfte tatsächlich zu einem kurzzeitigen Kursfeuerwerk an den Börsen führen und den Optimisten neuen Auftrieb geben. Vor allem deutsche Aktien würden wohl wieder zu den größten Gewinnern gehören. An den langfristigen Zweifeln am chinesischen Wachstumsmodell würde dies jedoch nichts ändern.

(Quelle: http://www.welt.de/finanzen/article108704985/Investoren-fuerchten-den-grossen-China-Kollaps.html)

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