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Lösung der Territorialkonflikte nur mit Vergangenheitsaufarbeitung möglich

2012-09-23
 
Von Peter Kujath

Japan und China erheben beide Anspruch auf die Senkaku- oder Diaoyu-Inseln. Doch der Konflikt kann nicht ohne eine kritische Auseinandersetzung Japans mit seiner Aggressorrolle im 2. Weltkrieg gelöst werden.

Eigentlich hatte die japanische Regierung in durchaus guter Absicht gehandelt. Der Kauf der umstrittenen Senkaku-Inseln, die auf Chinesisch Diaoyu genannt werden, war erfolgt, um dem national-konservativen Gouverneur von Tokio zuvorzukommen. Aufgrund eines bestehenden Vertrages hatte die Zentralregierung bisher jedes Betreten der Inseln verboten, die etwa 400 Kilometer westlich des südlichsten japanischen Zipfels liegen. Auf diese Weise wollte man eine Zuspitzung des Konflikts mit der Volksrepublik China vermeiden, die seit 1972 Anspruch auf die von Japan verwaltete Inselgruppe erhebt. Der Gouverneur von Tokio hatte hingegen erklärt, dass er nach dem Kauf auf den Senkaku-Inseln einen kleinen Hafen für japanische Fischer errichten wird. Das hätte die Beziehungen mit China sicher noch stärker belastet. Und so kaufte die japanische Regierung die Inseln lieber selbst. Man kann Japan nicht unbedingt bescheinigen, immer ruhig und besonnen gehandelt zu haben, wenn es um die Senkaku-Inseln geht. Allein die offizielle Haltung, dass mit China überhaupt kein Territorialkonflikt bestehe, weil die Inseln eindeutig japanisch sind, zeugt nicht gerade von einem realpolitischen Ansatz. Auch die Anklage des Kapitäns eines chinesischen Fischerbootes vor zwei Jahren oder die Festnahme der Aktivisten aus Taiwan und Hongkong in jüngster Zeit wirbelten unnötig viel Staub auf.

Aber der jüngste Akt, der zu den heftigen Protesten in China geführt hatte, war in der Tat die bessere der schlechten Alternativen. Warum hat die chinesische Regierung das nicht mitbekommen? Vor drei Jahren war die Demokratische Partei in Japan an die Macht gekommen. Eines ihrer Ziele war, den Einfluss der Bürokraten zu brechen, die unter der jahrzehntelangen LDP-Herrschaft zu den eigentlichen Entscheidungsträgern herangewachsen waren. Doch der jungen DPJ-Regierung fehlte die Erfahrung gerade in Fragen der Außenpolitik. Vertrauensvolle, gewachsene Kommunikationswege in das Innere des chinesischen Machtapparats besaß sie nicht, und die Verbindungen der Beamten wollte sie nicht nutzen. Das rächte sich jetzt. Es gelang nicht, die Intention des Kaufs der Senkaku-Inseln der chinesischen Seite zu vermitteln, wie mittlerweile selbst japanische Regierungsmitglieder einräumen.

Mag sein, dass es auch für die Regierung in Peking innenpolitische Gründe gab, den Streit eskalieren zu lassen. Es bleibt aber ein Versäumnis der japanischen Außenpolitik, die eigene Schwachstelle nicht erkannt und entsprechend reagiert zu haben. Immerhin ist China der wichtigste Handelspartner Japans, sind die beiden Staaten wirtschaftlich sehr eng verflochten. Das ist aber auch der Grund, warum keines der Länder an einem ernsthaften Konflikt interessiert ist.

Der Druck der USA tat ein Übriges, damit Japan den Ausschreitungen in China erstaunlich ruhig begegnete. Anfang August war die japanische Außenpolitik in ein ähnliches Desaster geschliddert. Damals eskalierte der Territorialstreit mit Südkorea um die Takeshima- oder Dokdo-Inseln. Wenn man sich beide Ereignisse, den Streit mit China wie Südkorea genauer anschaut, fällt auf, dass die fehlende Aufarbeitung der Geschichte auf der Seite Japans eine wichtige Rolle spielt. Der südkoreanische Präsident wies explizit darauf hin, dass die Territorialfrage eine solche Bedeutung erhalte, weil Japan sich nicht zu einer Entschädigung der sogenannten Trostfrauen durchringen kann. Trostfrauen werden die Koreanerinnen genannt, die während des Zweiten Weltkriegs in japanische Militärbordelle gezwungen wurden. Eine überzeugende Entschuldigung für das Leid, das viele Menschen in Korea während der japanischen Besatzung erdulden mussten, steht noch immer aus. Das gilt auch für die chinesische Bevölkerung, obwohl der japanische Kaiser während seines Besuchs 1992 immerhin sein Bedauern zum Ausdruck brachte.

Die jüngsten Anti-Japan-Demonstrationen in China erreichten ihren Höhepunkt am Jahrestag des Mukden-Zwischenfalls, einem von der japanischen Armee selbst inszenierten Ereignisses, das zum Einmarsch in der Mandschurei und im weiteren Verlauf zu einer Reihe von Grausamkeiten in ganz China führte. Diese Tatsachen werden zum Teil bis heute von einigen in Japan geleugnet und in den Schulbüchern kaum erwähnt. Stattdessen werden die Kinder ausführlich über die Zugehörigkeit der Takeshima- wie Senkaku-Inseln "aufgeklärt".

Japan war wie Deutschland der Aggressor im Zweiten Weltkrieg. Aber die Aufarbeitung dieser schwierigen Phase der Geschichte steht hier noch aus. Ohne eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann Japan aber keinen der offenen Territorialkonflikte lösen.


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