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Putzmeister hat ein gutes Verhältnis mit Sany

2012-12-16

Sany kauft Putzmeister - diese Nachricht hat Anfang des Jahres für viel Aufregung gesorgt. Das stolze schwäbische Familienunternehmen, der weltweite Technologieführer im Geschäft mit Betonpumpen, wird geschluckt vom chinesischen Wettbewerber. Ein Skandal für Arbeitnehmer und Gewerkschaften. Welche Auswirkungen diese Übernahme nun auf das Tagesgeschäft von Putzmeister hat und wie der Umgang mit den Chinesen klappt, beschreibt Geschäftsführer Norbert Scheuch im Interview mit der "Welt".

Die Welt: Ni hao, Scheuch xiansheng. Ni hao ma?

Norbert Scheuch: Wo hen hao, mir geht es sehr gut. Vielen Dank.

Die Welt: Bei mir hört es jetzt auf mit den Chinesisch-Kenntnissen. Wie ist das bei Ihnen?

Scheuch: Ich könnte noch. Für den erweiterten Smalltalk reichen meine bisherigen Sprachkenntnisse schon aus. Einer Vorstandssitzung bei Sany dagegen kann ich ohne Simultandolmetscher noch nicht folgen. Ich lerne zwar so oft es geht Chinesisch, die schiere Gewalt des Tagesgeschäfts hindert mich aber an regelmäßigen und noch intensiveren Sprachstunden.

Die Welt: Kriegen Sie dann alles mit in den Sitzungen?

Scheuch: Das hoffe ich doch. Bislang hatte ich jedenfalls nicht das Gefühl, dass mir Dinge vorenthalten wurden. Aber natürlich besteht immer die Gefahr, dass man die Aussagen zwischen den Zeilen verpasst, weil die Semantik bei der Übersetzung nicht mit rüberkommt.

Die Welt: Sie sind auch in den Vorstand von Sany aufgerückt. Was ist anders in einem chinesischen Unternehmen?

Scheuch: Der kulturelle Unterschied ist groß. Chinesische Unternehmen sind extrem hierarchisch aufgebaut. Dort ist alles Chefsache. Das macht die Projektarbeit so schwierig. In Deutschland wird eine Arbeitsgruppe nach Fachkompetenz besetzt und die arbeitet dann ihr Thema ab. In China wird für jede Kleinigkeit der Chef gefragt, egal ob er einen sinnvollen Input geben kann oder nicht. Die Führungsverantwortung ist von der Fachverantwortung nicht entkoppelt. Dafür läuft die Arbeit äußerst genau ab. Vorstandssitzungen fangen pünktlich an und hören pünktlich auf, jeder kommt zu Wort und jeder darf ausreden. Auch ich – obwohl ich deutlich anders bin, weil ich Konzernchef Liang Wengen auch mal widerspreche. Letztens hat er mir gesagt: "Herr Scheuch, die Zusammenarbeit mit Ihnen ist anstrengend, aber fruchtbar". Wir haben ein gutes Verhältnis.

Die Welt: Sany ist nun seit fast einem Jahr Eigentümer von Putzmeister. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Scheuch: Natürlich müssen sich beide Seiten noch weiter aneinander gewöhnen. Denn es ist doch klar, dass es bei einem deutschen und einem chinesischen Unternehmen keine kulturellen Gemeinsamkeiten geben kann. Wir werden die beiden Firmen deswegen auch nicht miteinander verzahnen, das würde schief gehen. Es bleibt bei einer Zweimarkenstrategie. Und da passen Sany und Putzmeister strategisch perfekt zusammen. Sany bedient den Massenmarkt in China – der im Übrigen fast 80 Prozent des Weltmarktes ausmacht. Putzmeister dagegen ist die Manufaktur für sämtliche anderen Märkte auf der Welt.

Die Welt: Arbeitnehmer und Gewerkschaften sind weit weniger euphorisch.

Scheuch: Das ist doch verständlich. Die machen sich Sorgen wegen der Arbeitsplätze. Aber da passiert nichts, wir haben keine Abbaupläne. Eine Schließung von Standorten ist überhaupt keine Option. fragen sogar, warum ich nicht noch mehr Leute einstelle, vor allem Ingenieure. Sie haben großen Respekt vor der deutschen Ingenieurskunst. Und Putzmeister soll im Betonpumpengeschäft auch Forschungs- und Entwicklungszentrum für die Sany-Gruppe sein.

Die Welt: Warum stellen Sie nicht noch mehr ein?

Scheuch: Weil ich im Großraum Stuttgart bei der Suche nach Ingenieuren zum Bespiel mit Firmen wie Bosch und Mercedes-Benz konkurriere. Das ist nicht so einfach.

Die Welt: Warum haben Sie sich mit den Chinesen eingelassen?

Scheuch: Putzmeister ist im Markt gut unterwegs und macht ordentliche Gewinne. Nicht mehr in dem Maße wie noch vor der Lehman-Pleite, aber die Lage ist durchaus zufriedenstellend. Langfristig allerdings können wir gegen die starken chinesischen Wettbewerber nicht alleine ankommen. Noch verkaufen Firmen wie Sany, Zoomlion oder CIFA rund 90 Prozent ihrer Maschinen im Inland, nach und nach trifft man sie aber auch auf den Exportmärkten. Sany hat sogar schon Fabriken in Deutschland, Brasilien und Indien aufgebaut. Und wenn ein so großer Konzern mit Macht in unsere Märkte drängt, sind wir auf Dauer chancenlos. Also habe ich Sany lieber als starken Partner im Rücken als mit ihnen zu konkurrieren.

Die Welt: Wie eigenständig ist Putzmeister jetzt noch?

Scheuch: Ich habe keinen Aufpasser aus China in der Firma. Und es redet mir auch keiner in die Unternehmensführung rein und drängt mich zu bestimmten Entscheidungen. Ganz im Gegenteil: Sany hat mir die Verantwortung für das gesamte Beton-Geschäft außerhalb von China übertragen. Zudem bin ich frei darin, Sany als Teile-Lieferant abzulehnen. Unsere Muttergesellschaft stellt auch Getriebe, Hydraulik-Zylinder oder Vier-Punkt-Lager her, die wir beim Bau unserer Betonpumpen brauchen. Die entsprechen derzeit aber noch nicht unserem Qualitätsstandard. Nun arbeiten wir gemeinsam an einer Verbesserung, derartige Synergien würden für uns schließlich die Herstellkosten senken. Aber so lange die Qualität nicht unserem Standard entspricht, kaufe ich woanders ein. Druck aus China gibt es deswegen aber nicht.

Die Welt: Eine Vorgabe gibt es doch: Putzmeister soll 2016 zwei Milliarden Euro Umsatz machen. 2011 waren es noch 570 Millionen. Wie soll das klappen in diesem konjunkturellen Umfeld?

Scheuch: Solche Vorgaben sind das vornehme Recht eines Gesellschafters. Das macht ein deutscher Familienunternehmer im Übrigen auch nicht anders. Nun arbeiten wir daran, dieses Ziel zu erreichen. 2012 werden wir schon bei 700 Millionen Euro Umsatz landen. Denn wir hatten in diesem Jahr große Zuwächse in Amerika. Viel mehr ist mit organischem Wachstum allerdings nicht möglich, selbst wenn unsere Wettbewerber freundlicherweise aufhören würden zu produzieren. Dafür ist der Markt außerhalb von China nicht mehr groß genug. Der Rest muss also durch Übernahmen kommen. Und dafür haben wir grundsätzlich zwei Strategien. Zum einen wollen wir im Betongeschäft expandieren. Denn da gibt es noch zwei Schritte vor dem Einsatz unserer Pumpenwagen – die Mischwerke, in denen der Beton hergestellt wird, und die Mischfahrzeuge, die ihn auf die Baustelle bringen. In diese beiden Bereiche werden wir einsteigen. Zum anderen sind für uns auch völlig neue Geschäftsfelder denkbar, sei es in der Baumaschinenbranche oder auch in völlig anderen Industrien.

Die Welt: Was kommt dabei infrage?

Scheuch: Es gibt da einige Branchen, die für uns interessant sind. Dazu gehören zum Beispiel Landmaschinen und Motorenhersteller, dazu gehört jede Art von Sonderfahrzeugen, seien es Spezialtransporter, Kehrmaschinen, Müllwagen oder auch Feuerwehrfahrzeuge und dazu gehören Maschinenbauer aus den Bereichen Energie und Umwelt. Das sind schließlich zwei Megatrends der heutigen Zeit. Pläne und Ziele sind vorhanden, wir erstellen gerade eine Shortlist aus einer ganzen Reihe von geeigneten Kandidaten. Und mit einigen davon kommen wir hoffentlich überein.

Die Welt: Und wenn Sie das nicht schaffen?

Scheuch: Wir werden es schaffen, davon bin ich fest überzeugt. Zumal wir noch drei Jahre Zeit haben. Andernfalls wäre das aber auch kein Weltuntergang. In China wird mit Zahlen anders umgegangen als in deutschen Unternehmen. Das vorgegebene Ziel von zwei Milliarden Euro ist eine Richtungsangabe, kein verbindliches Wenn-Dann-Ziel. Aber warum soll ich mich mit dem schlechtesten Fall beschäftigen?

Die Welt: Geld ist schließlich genug vorhanden…

Scheuch: Das nötige Geld ist da, da können Sie sicher sein. Im Beton-Geschäft würden wir Zukäufe als Putzmeister eigenständig finanzieren. In den anderen Bereichen muss Sany uns helfen. Da sind wir zwar als Putzmeister unterwegs, aber mit Sany-Mandat und nach Sany-Strategie. Es sei denn wir schaffen einen Börsengang.

Die Welt: Ein Börsengang in diesem Umfeld?

Scheuch: Wir denken da weniger an einen klassischen Börsengang als vielmehr an die Übernahme eines börsennotierten Unternehmens, zum Beispiel in Deutschland. In diese Firma könnten wir Putzmeister dann einbringen. Und schon hätten wir völlig neue Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung, sei es für die Unternehmensfinanzierung oder für die geplanten Zukäufe.

Die Welt: Warum geht Sany nicht selbst auf Shoppingtour?

Scheuch: Es gibt nach wie vor Vorbehalte gegenüber chinesischen Konzernen. Es ist zum Beispiel nur schwer vorstellbar, dass Sany ein Unternehmen in Amerika kauft. Als Putzmeister haben wir da mehr Chancen. Die Front beginnt aber zu bröckeln. Die Putzmeister-Übernahme könnte eine Art Eisbrecher und Türöffner gewesen sein.

Die Welt: Dann wird es weitere Zukäufe chinesischer Firmen in Deutschland geben?

Scheuch: Mit Sicherheit. Das ist doch auch völlig normal. Und so viele sind es derzeit doch auch gar nicht. Denn Chinesen kommen oftmals gar nicht zum Zuge, weil sie in ihren Entscheidungsprozessen oft zu langsam sind. Es wirkt allerdings anders, weil immer gleich ein Medienereignis daraus gemacht wird. Wenn ein amerikanischer Konzern einen deutschen Konkurrenten übernimmt, steht es wahrscheinlich nur als Vierzeiler in der Zeitung. Bei einem chinesischen Käufer dagegen ist es gleich ein Angriff auf den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die Welt: Weil die Mitarbeiter Angst vor Produktionsverlagerungen haben und China mit Themen wie Produktpiraterie in Verbindung gebracht wird.

Scheuch: Natürlich schicken wir Konstruktionspläne nach China. Unser Knowhow ist schließlich einer der Gründe für den hohen Kaufpreis. Der Ertrag alleine hätte die 525 Millionen Euro nicht gerechtfertigt. Aber dieses Vorgehen ist legitim und völlig normal. Das passiert mit jedem Start-up und in jedem Gemeinschaftsunternehmen. GM kennt auch die Konstruktionspläne von Opel. Und in unserem Fall kommen die Sany-Maschinen ja nicht als Konkurrenz für Putzmeister zurück nach Europa. Wir haben durch die Übernahme bislang keinen Kunden verloren. Und ich bin sicher, dass dies so bleiben wird.

Die Welt: Wo läuft es angesichts der abflauenden Konjunktur noch gut?

Scheuch: Gut läuft es derzeit in Südamerika, dem arabischen Raum und vor allem in Asien. Überraschend stark ist zudem die USA. Aber das ist wohl nur eine Momentaufnahme. Genau wie Europa ist Amerika kein Zukunftsmarkt. Denn für unser Geschäft sind drei Voraussetzungen nötig: Wachsende Bevölkerung, wachsenden Wohlstand und ein solventer Staat. Und all das ist weder in den USA noch in Europa der Fall. Rund um das Mittelmeer haben wir zuletzt sogar sämtliche Fabriken geschlossen. Denn die Eurokrise ist noch lange nicht ausgestanden. Europa bleibt in einer Abwärtsspirale.

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