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Ansturm der Shopping-Kaiser

2013-03-15

Sie kommen, sehen und kaufen - Europa erlebt einen Boom zahlungskräftiger Touristen aus China. Die Gäste aus Fernost sind eine besonders anspruchsvolle Klientel, die sich häufig schlecht behandelt fühlt - und das Reisegeschäft nachhaltig verändern wird.

Der Frankfurter Flughafen stockt auf. Zwei "Chinese Personal Shopper"sind bereits im Dienst, fünf bis sieben neue sollen 2013 eingestellt werden. Ihre Aufgabe: chinesischen Touristen beim Geldausgeben helfen. Sie übersetzen das Verkaufsgespräch und sorgen dafür, dass der Tourist im Konsumrausch nicht sein Flugzeug verpasst.

Im Jahr 2011 gab jeder Chinese im Durchschnitt pro Besuch in einem deutschen Tax-Free-Shop sagenhafte 536 Euro aus. Für Uhren aus der Schweiz, deutschen Schmuck, französische Designertaschen. Tendenz jedes Jahr steigend. Was ihren Anteil am Umsatz der Tax-Free-Läden angeht, haben die Besucher aus Fernost sogar die reichen Russen übertrumpft."Shopping zählt zu den liebsten Urlaubsaktivitäten der Chinesen", sagt Wolfgang Arlt, Professor für Tourismusmanagement in Heide und Leiter des China Outbound Tourism Research Institute. Wegen hoher Steuern in ihrer Heimat sind Markenwaren von Louis Vuitton, Cartier oder Rolex in Europa günstiger.

Wohlhabende Chinesen sind längst die Lieblingstouristen der Luxuswaren-Anbieter, und jedes Jahr steigen mehr von ihnen in ein Flugzeug: Seit 2012 sind sie Reiseweltmeister und haben damit die Deutschen von ihrem langjährigen Spitzenplatz verdrängt als die Nation, die weltweit am meisten Geld für Urlaub ausgibt. Der wirtschaftliche Aufschwung in China hat zu einem Reiseboom geführt. Urlaube in fernen Ländern sind Statussymbol, wer teure Souvenirs mitbringt oder gar seine Hochzeitsfotos auf Santorini machen lässt, genießt hohes Ansehen. Während im Jahr 2002 noch 16,6 Millionen Chinesen die Landesgrenze ins Ausland überquerten, waren es 2012 mit 83,2 Millionen bereits fünfmal so viele.

Neue Spielregeln für den Tourismus

Für Hotels und Reiseveranstalter in Europa bedeuten die finanzkräftigen Besucher eine Herausforderung, denn sie sind häufig eine enorm anspruchsvolle Klientel. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Chinesen die Spielregeln ändern werden", sagt Arlt. "Die Chinesen mögen Europas Bauwerke, die Luxusshops - aber sie fühlen sich häufig schlecht behandelt."

Denn was den Service in Hotels, Restaurants und Läden angeht, sind sie Besseres gewohnt. Nur die reichsten fünf Prozent des Landes können sich Europa-Reisen leisten. Viele sind wegen der Ein-Kind-Politik ihres Landes Einzelkinder und wurden seit frühester Jugend verwöhnt, als "kleine Kaiser" werden sie oft bezeichnet. Entsprechend groß ist die Enttäuschung für diejenigen, die sich ausgerechnet im Urlaub vom Herrscher zum Bittsteller degradiert fühlen.

Eine Studie der European Travel Commission untersuchte die Blogs chinesischer Europa-Besucher, um ihre Vorlieben und Kritikpunkte zu erfassen. Ergebnis: Die Reisenden aus dem Reich der Mitte lieben den blauen Himmel, pünktliche Busse und Bahnen und die Tatsache, dass Städte und Verkehrsmittel nicht überfüllt sind. Doch sie ärgern sich darüber, dass Läden früh schließen, dass die "Arbeitseffizienz gering ist und zu wenige Mitarbeiter im Service tätig sind", über fehlende Informationen auf Chinesisch, komplizierte Visa-Prozeduren und Probleme mit chinesischen Kreditkarten.

"Viele chinesische Touristen erwarten, noch immer wie eine Art Kaiser behandelt zu werden", sagt Karlheinz Steinmüller, Chef von Z-punkt, einer Agentur für Zukunftsforschung. Weil mit ihnen viel Geld zu verdienen ist, wird sich aber das Angebot anpassen. So, wie das vorher schon für wohlhabende Touristen aus Golfstaaten geschehen ist: Für sie stellten Luxushotels Personal mit Sprachkenntnissen ein, statt Alkohol kommen Datteln und Säfte ins Zimmer, Edel-Apartments mit eigener Küche wurden eingerichtet. Auch Krankenhäuser stellen Kapazitäten für Araber zur Verfügung, die sich wegen des guten Rufs deutscher Ärzte behandeln lassen.

Eine solche Entwicklung wiederholt sich nun für die Gäste aus Fernost: Die Flughafenhelfer in Frankfurt sind ein Anfang, immer mehr Luxuswaren-Shops stellen chinesischsprachige Mitarbeiter ein. Manche schließen ihre Läden auch mal komplett für andere Kunden, wenn eine Reisegruppe aus Peking oder Shanghai hereinrauscht.

"Den Leuten muss klar sein, dass Chinesen keine Kunden zweiter Klasse sind, nur weil manche keine guten Englischkenntnisse haben", sagt Arlt. Manche hätten genug Geld auf dem Konto, um das Hotel zu kaufen, in dem sie sich "wie Besucher aus der Dritten Welt" behandelt fühlen.

Kontinentales Frühstück in Asien? Kein Problem

Allerdings sind sie auch ein sehr sensibles Publikum. Für Verstimmung kann schon sorgen, wenn ein Juwelier nicht entgegen deutschen Gesetzen sonntags extra öffnet, wenn man für ein paar tausend Euro einkaufen will. Oder ein Hotel, das kein chinesisches Frühstück im Angebot hat. Oder ein Zimmer ohne Wasserkocher - in China trinkt niemand kaltes Leitungswasser.Immer mehr Hotels stellen sich auf die Wünsche aus Fernost ein. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis angesichts der Nachfrage auch chinesische Ketten wie Jin Jiang, das neuntgrößte Hotelunternehmen der Welt, nach Europa expandieren. Denn während der Tourismus weltweit längst bestens auf die Bedürfnisse westlicher Touristen abgestimmt ist - fast in jeder Stadt gibt es kontinentales Frühstück im Hotel und Starbucks-Filialen -, fehlen vielerorts ähnliche Strukturen für die neuen Reisenden aus China.

Wo die besonders schnell entstehen dürften, geht auch aus der Blogger-Studie hervor. Denn dort werden die europäischen Ziele und Attraktionen aufgelistet, über die chinesische Urlauber am meisten schreiben: die Alpen, die Kathedrale Notre-Dame de Paris, der Louvre, die Uni von Cambridge, Amsterdams Rotlichtbezirk, die Seine und die Ägäis. "Schon im Jahr 2020 wird der Tourismus in Europa nicht mehr so aussehen wie heute", sagt Steinmüller.

(Quelle: Spiegel online, von Stephan Orth )

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