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Altkanzler Schmidt über China bei Beckmann

2013-05-04
Hoeneß und die Steueraffäre? Altkanzler Helmut Schmidt zeigte bei Beckmann wenig Lust auf Alltags-Klein-Klein. Grundsätzliche Botschaften sind ihm wichtiger - dazu gehört auch, die Ansichten des Westens über China gründlich in Frage zu stellen.

Berlin - Zu aktuellen Fragen nimmt Helmut Schmidt nur noch äußerst zurückhaltend Stellung. Der Blick aufs Grundsätzliche liegt dem einst so streitbaren Politveteranen inzwischen viel mehr am Herzen. Schmidt, so scheint es, formuliert sein politisches Vermächtnis, will seinen Zuhörern noch die Botschaften vermitteln, die seinen Tod überdauern mögen.

So war es auch bei Reinhold Beckmann am Abend 2.Mai 2013. Auch wenn sich der Moderator redlich bemühte, dem 94-Jährigen ein Statement zum Steuersünder Uli Hoeneß oder zum absehbaren Wahlkampfdesaster von Peer Steinbrück zu entlocken - der Alte ließ die Fragen passieren, ohne auch nur nach einer Ausflucht zu suchen. "Sie können die Steuerhinterziehung schärfer bestrafen, oder Sie können es lassen wie es ist, ist mir beides recht", beschied er sinngemäß Beckmanns Nachfragen. Eine explizite Stellungnahme zur Causa Hoeneß vermied er mit Hinweis auf Investment- und Hedgefonds, die viele erst dazu gebracht hätten, an der Börse zu zocken.

Auch dass seinem Urteil über Peer Steinbrück ("Er kann es") derzeit nur wenige folgen, ficht ihn nicht an. "Wir leben in einer Demokratie", erklärt er dazu lapidar. So einfach können die Dinge sein, wenn man sie mit Distanz betrachtet. Mit kurzlebigen Fragen hält man sich nicht mehr auf, wenn man den Abschied von dieser Welt vor Augen hat.

Viel wichtiger war es dem Altkanzler offensichtlich, den Deutschen ein wenig die Angst vor China zu nehmen. So wichtig, dass sein Gastgeber die Frage nach der Rolle des aufstrebenden Riesenreichs zum Kernthema der Sendung machte.

Das Schicksal des zweiten Studiogasts führte die Diskussion schnell zum Kern des Unbehagens, mit dem die Bürger im Westen den rasanten Aufstieg Chinas beobachten - zu den Menschenrechten. Yu-Chien Kuan musste während der Kulturrevolution fliehen und fand 1969 schließlich Zuflucht in Deutschland. Er habilitierte sich an der Universität Hamburg und berät Schmidt in Fragen der deutsch-chinesischen Beziehungen. Die beiden sind seit mehr als zwanzig Jahren auch freundschaftlich eng verbunden.

Am rüden Umgang der chinesischen Führung mit Andersdenkenden wollen jedoch beide keinen Anstoß nehmen. Es gebe sehr wohl Kritik an Missständen, betonte Kuan. Veränderungen benötigten jedoch Zeit. Schmidt sieht das Problem dagegen vor allem in der westlichen Welt. Die Menschenrechte seien ein Erzeugnis unseres Kulturkreises, erklärte er. Es gebe sie weder in der Bibel, noch im Islam und in Fernost auch nicht. Eine durchaus problematische These, die Beckmann unwidersprochen ließ.

Womöglich, weil es Schmidt in diesem Moment auf einen ganz anderen Punkt ankam: Anders als der Westen habe die chinesische Führung bislang nicht versucht, anderen Staaten ihr Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Den Missionsdrang der freiheitlichen Demokratien hält Schmidt sogar für regelrecht anmaßend. Die Rolle von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sieht er vor diesem Hintergrund ausgesprochen kritisch, auch wenn er die Gruppe "regelmäßig mit Geld unterstützt".

Eine derart kritische Reflexion über einen so zentralen Punkt des westlichen Selbstverständnisses haben bislang nur wenige formuliert. Schmidt wagt es, und sein Anliegen lässt sich nicht als bloße Provokation abtun. Europa und die USA müssen von ihrem hohen Ross herunterkommen, lautet seine Botschaft.

Für viele in der westlichen Welt dürfte sie ebenso schwer verdaulich sein wie einst der Beschluss der Regierung Schmidt, in Deutschland Mittelstreckenraketen aufzustellen, um dem Warschauer Pakt Paroli zu bieten. Die Aufrüstung läutete Anfang der achtziger Jahre das Ende seiner Kanzlerschaft ein. Am Ende erwiesen sich die Waffen als wichtiger Anstoß zur umfangreichsten Abrüstung der jüngeren Geschichte.

(Quelle:Spiegel 0nline von Michael Kröger )

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