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Deutschland leidet am China-Syndrom

2013-07-22

 von Wolfgang Münchau

Die ganze Welt hat sich daran gewöhnt, dass Chinas Wachstum die globale Konjunktur am Laufen hält. Doch jetzt baut die Volksrepublik ihre Wirtschaft um: Das Land will weniger investieren und mehr konsumieren. Für Deutschland ist das eine schlechte Nachricht.

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Die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft ist eines der ökonomischen Großereignisse unserer Zeit. Sie hat nichts mit der Konjunktur zu tun, sondern mit einer tiefgreifenden, überfälligen, aber auch riskanten Umstrukturierung der chinesischen Wirtschaft. Ob Angela Merkels Euro-Krisen-Strategie aufgeht, hängt sehr stark damit zusammen, wie dieser Prozess in China vonstatten geht.

Laut den letzten, offensichtlich frisierten chinesischen Statistiken lag das Wachstum im zweiten Quartal des Jahres 2013 exakt bei den von der Regierung gewünschten 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die wirklich interessante Frage lautet jedoch nicht, ob sieben oder siebenkommanochwas, sondern ob China nicht womöglich schon am Rande einer Rezession steht.

Ähnlich wie Spanien und Irland erlebte China eine kreditfinanzierte Blase. In der Erwartung einer sich stetig fortsetzenden Industrialisierung wurde im Land auf Teufel komm raus investiert, in Geschäfts- und Wohnimmobilien, in Eisenbahnnetze und U-Bahnen mit Stationen auf dem flachen Acker. Die Investitionen betrugen 2012 54 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, der inländische Konsum nur 45 Prozent - eine für westliche Verhältnisse unglaubliche Verzerrung. In Deutschland zum Beispiel liegen die Investitionsausgaben bei nur 17 Prozent.

Die neue Führung der Kommunistischen Partei in Peking ist angesichts der Verzerrungen ebenfalls besorgt und betreibt jetzt eine Politik der Anpassung. Doch das Problem mit strukturellen Anpassungen ist wie so häufig, dass alles zunächst schlechter wird, ehe es sich verbessert. Der Konsum steigt nicht so schnell, wie die Investitionen sinken. Vor allem werden Arbeitsplätze zerstört, und nach Abzug der Inflationsrate, die der britische "Economist" für das Jahr 2013 auf 3,3 Prozent schätzt, steigen die Löhne kaum noch. 2012 betrug der Anstieg der Löhne knapp 10 Prozent. In diesem Jahr sind es nur noch 6,5 Prozent.

Einer der Mechanismen, die dem Konsum auf die Sprünge helfen sollten, ist die noch ausstehende Normalisierung der Zinsen. Die Sparzinsen liegen bei etwas über 3 Prozent, auch von den Zinserträgen bleibt also nach Abzug der Inflation nichts mehr übrig. Da chinesische Familien große Nettosparer sind, würde eine längst überfällige Erhöhung der Zinsen ihre Renditen und das für den Konsum zur Verfügung stehende Geld erhöhen. Gleichzeitig würden Kreditzinsen steigen und die überschüssigen Investitionen gedrosselt.

Die USA als einziger Lichtblick

Der Strukturwandel ist aber nicht nur kurzfristig teuer, sondern bringt auch langfristig geringere Wachstumsraten. Der Finanzexperte Michael Pettis, der an der Universität von Peking lehrt, schätzt das Wachstumspotential nach der Normalisierung auf für chinesische Verhältnisse läppische 4 Prozent pro Jahr.

Nicht nur China, auch die Weltwirtschaft trifft dieser Wachstumsschock unvorbereitet. China war eine der wichtigsten Lokomotiven für die Weltkonjunktur. Die anderen Schwellenländer haben ihre eigene Krise wie jetzt Brasilien. Japan wertet gerade ab. Der Euro-Raum fällt auf absehbare Zeit wegen seiner Krise als Wachstumsfaktor aus. In diesem Umfeld wird auch das deutsche Wachstum unter dem vergangener Zeiten liegen. Der einzige Lichtblick sind die USA, wo sich die Wirtschaft gerade maßvoll erholt.

So wie die Welt von einem amerikanischen Kreditboom im letzten Jahrzehnt profitierte, so profitierte sie später von Chinas Blase. Jetzt ist auch das vorbei. Wenn die Chinesen nicht mehr wie verrückt investieren, sondern nur noch rational konsumieren, kaufen sie zwar immer noch deutsche Produkte, aber eben weniger. Vor allem weniger im Ausrüstungssektor, in dem die deutsche Industrie so stark ist.

Für Merkels Euro-Krisen-Strategie ist dies das denkbar schlechteste Umfeld. Der Erfolg dieser Strategie hängt davon ab, ob die Euro-Zone insgesamt große Leistungsbilanzüberschüsse einfahren kann, um ihre Auslandsschulden abzubauen. Wenn nun die Exporte in Richtung China einbrechen, wird es noch schwieriger als bisher, dieses Ziel zu erreichen.

(Quelle: der Spiegel)

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