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Freihandelszone Chinas Vorzeige-Labor in Shanghai

2013-10-15
 

      

 

Shanghai, die Stadt am Pu, will bis zum Jahr 2020 zu einem internationalen Finanzzentrum aufsteigen. Die Freihandelszone ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Shanghai - Ein strahlendes Funktionärslächeln, ein rotes Banner auf dem Boden, und obendrüber prangen die Worte: China Shanghai Waigaoqiao Pilot-Freihandelszone". Das lang erwartete chine­sische Experiment ist am Sonntag mit großem Tamtam an den Start gegangen. Es ist ein Meilenstein für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas", wurden da manche ­Delegierte gar nicht erst müde zu wieder­holen. Überschwänglich, geradezu glückstrunken. Tatsächlich ist die 29 Quadratkilometer große Zone im Stadtteil Pudong ein kleiner Übungsplatz für ein Spezial-China, der die Probleme im Land erst recht nach außen kehrt.

Eine ganze Menge ökonomische Freiheit hat Chinas Regierung im Osten von Shanghai versprochen, wenn auch bislang in schöne Worte verpackt mit wenig Greifbarem. Es ist ja nicht so, dass es zu wenig Freihandelszonen im Land gäbe. Allen voran die Qianhai-Zone in Shenzhen, Nansha in Guangzhou und die Guangdong-Hongkong-Macao-Freihandelszone. Alle liegen sie im Süden des Landes, dort, wo China mit dem Öffnungskurs des früheren Parteigeneralsekretärs Deng Xiaoping den Aufstieg der vergangenen Jahre begann. Auch Shanghai hat eine Sonderwirtschaftszone vorzuweisen, ein Teil des neuen Versuchsgeländes gehört nun ebenfalls dazu. Die Stadt am Fluss Pu will bis 2020 zu einem internationalen Finanzzentrum aufsteigen ein hochtrabender Plan. Bislang ist lediglich klar, dass es weniger Steuern, weniger Zölle, weniger Bürokratie geben, alles noch besser und noch effizienter werden soll. 19 Industriezweige sollen von der Liberalisierung profitieren von Telekommunikation über den Transportbereich bis hin zum Kultur- und Bildungssektor.

 

          

Die eigentliche Sensation ist die Öffnung des Finanzsektors

Die eigentliche Sensation aber ist die angedachte Öffnung des Finanzsektors, mag es auch hier an handfesten Vorgaben noch fehlen. In einem am Freitag veröffentlichten Katalog stellte die Regierung einige Punkte vor: So sollen ausländische Banken in der Zone leichter ihre Niederlassungen eröffnen dürfen, Banken-Joint-Ventures könnten auch von ausländischen Partnern dominiert sein, einheimische Banken dürften auch Offshore-Bankgeschäfte mit ausländischen Kunden machen. Bisher waren der Kapitalverkehr, die Zinsen und die Währung vom Staat stark reguliert worden. Das wird außerhalb der Freihandelszone auch weiterhin so bleiben.

Im Shanghaier Vorzeige-Labor aber werden praktisch zwei Währungen getestet. Das Risiko eines konvertiblen Yuan bleibt so unter Kontrolle. Es ist ein Experiment, ob das, was in der Zone gelingt, später wann, ist noch lange nicht entschieden auf das ganze Land übertragen werden kann. Die chinesische Regierung hatte den Yuan bisher bewusst schwach gehalten. Er ist an den Dollar gekoppelt und darf nur in einer kleinen Bandbreite schwanken. Die Angst der Führung vor Exporteinbrüchen ist groß, denn die Freigabe des Wechselkurses brächte eine kräftige Aufwertung mit sich, die die Waren im Ausland teurer machen könnten. Chinas Wirtschaft baut aber nach wie vor auf Exporte, will sich nur langsam dem Binnenkonsum und dem Dienstleistungssektor zuwenden. Eine frei konvertible Währung wäre für diese Verlagerung wichtig.

Ein starker Yuan ließe die Importe billiger werden, dämpfte die Inflation und würde den Chinesen so einen größeren Konsum gestatten. Genau das, was Chinas Regierungschef Li Keqiang mit seinen Reformansätzen bezweckt. Er ist der größte Befürworter des Pilotprojekts, war der gestrigen Eröffnung aber ferngeblieben. In der Partei seien seine Reformen allerdings umstritten, heißt es stets. Vor allem über die Geschwindigkeit, mit der die Öffnung im Finanzbereich vorangetrieben werden soll, herrsche Uneinigkeit. Denn gerade eine solche Freigabe bedeutet einen Angriff auf die Macht der Banken im Land. Heute ist es praktisch so: vier große staatliche Geldinstitute bestimmen, wer ein Darlehen bekommt. Meist sind es die ohnehin mächtigen Staatskonzerne. Fällt ein Kredit aus, haftet notfalls die Regierung. Kleine private Unternehmen gehen oft leer aus. Für Innovationen im Land müssen aber gerade sie investieren. Doch die chinesische Wirtschaft wächst nach wie vor durch Investitionen und staatliche Aufträge für die maroden Staatsbetriebe. So sind es gerade die Banken, die staatlichen Unternehmen und vor allem auch die Ölindustrie, die sich gegen eine schnelle Öffnung aussprechen.

Es ist eine Öffnung im Miniformat

Es ist ohnehin eine Öffnung im Miniformat. Auf Rechtssicherheitsfragen wird im vorgestellten Katalog gar nicht erst eingegangen. Anmerkungen zur größeren Informationsfreiheit in der Zone waren bald verhallt. Einen Zugang zu Internetdiensten wie Facebook und Twitter soll es auch in Shanghai nicht geben, die aufgetauchten Meldungen hatte Chinas Regierung schnell dementiert. Der Feldversuch von Shanghai birgt genug Risiken, denn ein anderes China im eigentlichen China aufbauen zu wollen, bringt gewisse Freiheiten, aber auch Spannungen mit sich. Jede Ausnahme zeigt sogleich auch die Regel, jede Sondergenehmigung offenbart die etablierten Grundsätze im Land von einem kontrollwütigen, unfreien System.

(Quelle: stuttgarter-zeitung  Inna Hartwich)

 

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