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China feiert ohne China-Böller

2014-02-01
In China beginnt das Neujahrsfest. In diesem Jahr verdüstert der Smog die Feierlichkeiten: Das Zünden von Raketen ist nur noch mit Einschränkungen erlaubt.
                                                                        

Die Umweltverschmutzung in China überschattet jetzt auch das Frühlingsfest, die wichtigste Urlaubszeit in der Volksrepublik. Erstmals dürfen die Einwohner in Peking zu den Neujahrsfeierlichkeiten, die am Donnerstagabend beginnen und zwei Wochen lang dauern, bei hoher Luftbelastung keine Feuerwerkskörper zünden. Werde die Warnstufe Orange oder Rot ausgerufen, sei die Verwendung von Raketen und Knallkörpern verboten, beschloss die Stadtverwaltung.

Die Anordnung, die in ähnlicher Weise auch in anderen Regionen gilt, klingt vernünftig. Sie kommt jedoch einer kleinen Kulturrevolution gleich. Denn China ohne China-Böller, das ist wie Karneval ohne Kamelle oder Ballermann ohne Sangria. Die Neujahrsferien sind für die Chinesen die wichtigste Zeit für Familienzusammenkünfte, Feiern, Reisen, Einkäufe – und eben auch für das ausgelassene Knallen.

„Hoffentlich wird der Himmel über Peking endlich blauer"

Die Restriktionen könnten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben, denn kein anderes Land produziert und nutzt so viele Feuerwerkskörper wie China. Nach Angaben der Branchenaufsichtsbehörde schießen die Chinesen jedes Jahr 200000 Tonnen in die Luft. Deren geschätzter Wert beträgt mehr als 300 Millionen Euro. Zollangaben zufolge führt China darüber hinaus 325000 Tonnen im Wert von 560 Millionen Euro aus. Damit ist die Volksrepublik der bei weitem größte Verbraucher, Hersteller und Exporteur.

Die Entscheidung, das Ballern und Funkensprühen einzuschränken, trifft in der Bevölkerung überwiegend auf Zustimmung, jedenfalls wenn man dem Internet glauben kann. Über den Kurzmitteilungsdienst Weibo twittert ein Nutzer, er verzichte freiwillig auf die lauten Geschosse. „Das ist mein Beitrag zum Umweltschutz. Hoffentlich wird der Himmel über Peking endlich blauer." Die meisten Kommentatoren pflichten ihm bei, einige halten das Verbot aber für Augenwischerei. So schreibt ein Teilnehmer: „Das Feuerwerk war immer die Hauptquelle meiner Kindheitsfreude. Wir sollten die Luftverpestung nicht auf die Knaller schieben, das ist doch ein Vorwand."

                                      
 
Piloten müssen seit Jahresbeginn nachweisen, dass sie auch bei Smog in Peking landen können. Damit soll gewährleistet werden, dass die Maschinen selbst bei Sichtweiten von weniger als 400 Metern sicher aufsetzen. Im Dezember waren in Schanghai wegen des Smogs innerhalb von 24 Stunden mehr als 200Flüge ausgefallen. Die Hauptstadt hat ähnliche Erfahrungen gemacht.

Industrie rechnet mit sinkendem Verkauf

Meteorologen warnten zur Wochenmitte, dass die Luftverschmutzung von Donnerstag bis Sonntag in Peking und anderen Regionen wieder gefährliche Ausmaße annehmen könnte. Deshalb müsse zusätzlicher Schadstoffausstoß vermieden werden, forderte der Sprecher des staatlichen Wetterdienstes, Chen Zhenlin, auf einer Pressekonferenz in Peking: „Knallkörper und Raketen können große Mengen toxischer Gase und Feinstäube freisetzen, etwa Schwefeldioxid." Lokalen Presseberichten zufolge erreichte die Belastung mit Feinstaubpartikeln der Kategorie PM 2,5 vor einem Jahr Spitzenwerte. Am ersten Tag der Silvesterfeierlichkeiten gemäß dem chinesischen Mondkalender seien in Peking fast 1500 Mikrogramm je Kubikmeter gemessen worden. Der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt 25 Mikrogramm. Die Branchenaufsichtsbehörde hat ausgerechnet, dass Feuerwerkskörper jährlich 4000 Tonnen Feinstaub freisetzen, das entspreche dem Verbrennen von 120000 Tonnen Öl oder dem Jahresbenzinverbrauch von 100000 Autos.

Die Feuerwerksindustrie hat sich auf den sinkenden Verkauf eingestellt. Nach Angaben der drei für Peking lizensierten Hersteller haben die Großhändler in der Hauptstadt diesmal 500000 Gebinde zu je 500 Yuan (60 Euro) bestellt, 20 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Zahl der Abgabestellen an die Endkunden sei um 12 Prozent auf 1180 Buden zurückgegangen. „Wir rechnen mit mindestens 10 Prozent weniger Umsatz", sagt Wei Bo, der Marketingdirektor von Beijing Panda Fireworks. „Das liegt an der öffentlichen Sensibilisierung für die Luftverschmutzung und auch daran, dass die Regierungsstellen weniger kaufen dürfen." Der Panda-Konzern reagiere darauf, indem er immer mehr schwefelarme Produkte anbiete.

In Schanghai, wo die Bevölkerung im Dezember erstmals ähnlich schwer vom Smog heimgesucht worden war wie in Peking, ist man der Knallerei gegenüber besonders kritisch. Wie jetzt bekannt wurde, ist dort während der chinesischen Silvesternacht vor einem Jahr die Feinstaubbelastung in nur sieben Stunden um das Fünffache gestiegen. Laut einer Umfrage des örtlichen Statistikbüros befürworten deshalb mehr als 80 Prozent der Schanghaier ein vollständiges Verbot von Feuerwerkskörpern. Dazu passt, dass nur 14Prozent der Befragten in diesem Jahr solche Produkte gekauft haben. Rund die Hälfte von ihnen gibt dafür zwischen 100 und 500 Yuan aus, also bis zu 60 Euro.

Die Weltmetropole des Feuerwerks, die auch Sitz des Unternehmens Panda ist, heißt Liuyang. Die Stadt von der Größe Münchens liegt in den Bergen der südlichen Binnenprovinz Hunan. Nach Zahlen der Stadtverwaltung kommen zwei Drittel der internationalen Produktion von hier. In den mehr als 1700 Unternehmen seien 300000 Arbeiter beschäftigt, heißt es. Etwa 30 Prozent der Produktion geht ins Ausland, auch nach Deutschland. Nach Angaben des deutschen Verbands der Pyrotechnischen Industrie stammen zwei Drittel des Silvesterfeuerwerks aus Hunan.

In Liuyang soll im 7. Jahrhundert der weise Li Tian mit dem – ebenfalls in China erfundenen – Schießpulver experimentiert und dabei die ersten Knallkörper zur Vertreibung böser Geister entwickelt haben. Bis heute verehrt die Branche den Langbärtigen. Im Feuerwerksmuseum außerhalb der Stadt können treue Anhänger sogar an Li Tians Grab knien. Liuyang ist die einzige Stadt in China, in der jeden Tag geböllert werden darf – Luftverschmutzung hin oder her.

(Quelle:FAZ)

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