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Grußwort bei der Auftaktveranstaltung aus Anlaß der Neugründung des China-Instituts an der J.W.Goethe-Universität Frankfurt am Main e.V.

2007-08-06

Exzellenz Herr Botschafter Dr. Stanzel,

sehr geehrter Herr Arnold,

sehr geehrter Herr Staatssekretär Abeln,

meine Damen und Herren,

liebe China-Freunde,

gestatten Sie mir, anläßlich der heutigen feierlichen Neugründung des China-Instituts an der Johann Wolfgang Goethe Universität, im Auftrag S.E. Herrn Botschafter Ma in Berlin sowie im Namen des hiesigen Generalkonsulats herzlich zu gratulieren!

Wie Ihnen vielen bekannt ist, hängt die erste Gründung des China-Instituts am 4. November 1925 hier in Frankfurt und sein Erfolg in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens eng mit dem Namen Richard Wilhelm zusammen. Richard Wilhelm war eigentlich ein junger evangelischer Missionar. Im Mai 1899, als er zum ersten Male das Reich der Mitte erreichte und in meiner Heimat Kiautschou (Qingdao) eintraf, war er erst 26 Jahre alt und besaß überhaupt keine Chinesischkenntnisse. Das damalige China befand sich am Ende der letzten feudalen Dynastie, unter der China wirtschaftlich am schwächsten, politisch korruptesten und das Leben der Bevölkerung am härtesten war, sodaß die Regierung der Qing-Dynastie gezwungen wurde, einen sog. „gleichen Vertrag" nach dem anderen zu unterzeichnen. Während Wilhelms 25jährigem Aufenthalt in China wurde Beijing durch die verbündeten Streitkräfte der acht Mächte erobert und geplündert, der letzte Kaiser gestürzt, die deutsche Musterkolonie Qingdao durch Japaner besetzt, Kriegsherren bekriegten einander und die Neue Kulturbewegung des 4. Mai entstand. Richard Wilhelm wurde aber kein Feind der chinesischen Bevölkerung, ganz im Gegenteil, mit seiner Herzensgüte, Gelehrsamkeit sowie Hochachtung und Verehrung der chinesischen Kultur wurde er ein beliebter und respektvoller Freund Chinas, der sich eifrig im Schulwesen engagierte und dem Studium der chinesischen Sprache und Literatur hingab. Er war sich völlig im klaren, auf welche Art und Weise er der chinesischen Bevölkerung am besten helfen konnte. Im Mai 1900 begann er seine Tätigkeit in seiner gemieteten Wohnung mit einem kleinen Deutsch-Chinesischen Seminar für einige chinesische Schüler; ein Jahr später, unterstützt durch die Berliner Mission, wurde für die Richard Wilhelm-Schule ein eigenes Schulgebäude fertiggestellt, das auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland bis 1949 mit seinem Namen benannt war und heute in meiner Heimatstadt unter Denkmalschutz steht. Unter den von ihm bestellten chinesischen Lehrkräften befanden sich auch einige konfuzianische Gelehrte, die seine ersten Chinesischlehrer wurden und ihn in das Studium der konfuzianischen Klassiker einführten.

Beginnend mit dem Jahr 1902, in dem Richard Wilhelm den „Drei-Zeichen-Klassiker" ins Deutsche übersetzte, bis hin zum Jahre 1930, wo er kurz vor seinem frühen Tod im Alter von 57 Jahren „den Goldenen Mittleren Weg" verdeutschte, hat er fast alle wichtigen Werke des Konfuzianismus und Taoismus studiert, mit seinen chinesischen Lehrern diskutiert und ins Deutsche übertragen, außerdem auszugsweise einige chinesische Romane wie z.B. „Drei streitende Reiche " und „Wundersame Geschichten aus dem Studio eines Müßiggängers". Darüber hinaus verfasste Richard Wilhelm verschiedene Bücher wie „Die chinesische Wirtschaftspsychologie", „Die Seele Chinas" usw., eine Reihe von Aufsätzen über die chinesische Geschichte und Kultur in deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften, hielt Vorträge über China in zahlreichen deutschen und europäischen Städten und gab die wissenschaftliche Zeitschrift „Sinica" heraus, deren internationalen Ruf er begründete. Obwohl ein Teil der von ihm übersetzten Werke nicht zum ersten Mal in eine europäische Sprache übertragen wurde, gelten seine Übersetzungen unter den Fachleuten meistens als die besten. Auf der Basis seiner maßgeblichen Übersetzungen wurden viele Werke des chinesischen Altertums in die englische, französische, spanische oder italienische Sprache übertragen.

Blicken wir auf das ganze Leben Richard Wilhelms zurück, bin ich der Ansicht, daß seine gründliche Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen Studium am meisten zu würdigen ist. 1924, bevor er nach Deutschland zurückkehrte, hat er zusammen mit dem chinesischen Gelehrten Lao Naixuan das wohl schwierigste Werk der chinesischen Philosophie, das „I-Jing", das Buch der Wandlungen vollständig ins Deutsche übersetzt. Damit seine Übersetzung dem chinesischen Urtext möglichst genau entsprechen konnte, hatte er den deutschen Text wieder ins Chinesische zurückübersetzt. Das Buch der Wandlungen ist das Werk, das Richard Wilhelm am längsten und intensivsten beschäftigt hat. Von der ersten Lektüre bis zum Erscheinen der Übersetzung im Diederichs Verlag in Jena hat Richard Wilhelm mehr als 10 Jahre daran gearbeitet.

Meine Damen und Herren,

seit Gründung des China-Instituts sind mehr als 80 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit ist die Weltgeschichte grundlegend verändert, die Änderungen und der Fortschritt in China beeindrucken und erstaunen die Welt. Seit Gründung der Volksrepublik vor 57 Jahren, insbesondere seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik vor 28 Jahren ist China, von den absoluten Zahlen her gesehen, die viertgrößte Volkswirtschaft und die drittgrößte Handelsnation der Welt geworden. China ist inzwischen der größte Hersteller bzw. Lieferant von Getreide, Fleisch, Baumwolle, Stahl, Kohle, Fernsehern, Computern, Handys usw. und verfügt über die meisten Devisenreserven. Andererseits zählt China immer noch zu den Entwicklungsländern mit einem Pro-Kopf-BIP von lediglich US$ 1,700. Jährlich kommen 24 Mio. Erwerbstätige auf den Arbeitsmarkt, der jedoch nur 10 Mio. aufnehmen kann. 65 Mio. Behinderte sind von der Sozialhilfe abhängig, 30 Mio. Menschen leben noch unter der von der UNO definierten Armutsgrenze, das Problem der Trinkwasserversorgung ist noch für 300 Mio. Menschen zu lösen, die großen Unterschiede in der Entwicklung der verschiedenen Regionen sind auszugleichen. Wie die chinesische Volkswirschaft einen nachhaltigen Kurs verfolgen und beibehalten kann, bleibt unbeirrt die Zielsetzung der chinesischen Führung und Bevölkerung auf ihrem friedlichen Entwicklungswege, damit allen Chinesen, die über 20% der Weltbevölkerung ausmachen, ein Leben in Wohlstand, gleich gute Bildungschancen und eine ökologisch verträgliche Umwelt ermöglicht werden, was auch zu den größten Beiträgen Chinas für den Frieden und die Entwicklung auf dieser Erde zählt. Meines Erachtens können all diese aktuellen Problemstellungen lediglich durch die kontinuierliche Vertiefung der Reform- und Öffnungsmaßnahmen gelöst werden, sowohl im ökonomischen als auch im politischen Sinne.

Meine Damen und Herren,

die heutige Entwicklung in Ökonomie und Konsum konnte Richard Wilhelm vor 80 Jahren sicherlich nicht vorausahnen, aber die Seele Chinas, die er zu seinen Lebzeiten beobachtete, beschrieb und analysierte, hat sich wenig geändert, denn die Wurzeln der chinesischen Kultur, die seit 5,000 Jahren als weltweit einzige kontinuierlich fortbesteht, ist tief in der chinesischen Nation verankert. Und dies könnte meiner Ansicht nach genau der Schnittpunkt für die Austausch-, Vergleichs- und Forschungsarbeiten des neugegründeten China-Instituts über die Beziehungen der chinesischen und der deutschen Kultur sein. In der heutigen Informationsgesellschaft braucht man mit Sicherheit nicht wie Richard Wilhelm jahrzehntelang in China zu leben, um Chinakenner zu werden, aber ein engerer zwischenmenschlicher Kontakt ist absolut notwendig und wird immer notwendiger, um sich gegeneinander vorurteilsfrei kennenlernen zu können. So gesehen, Herr Dr. Ebertshäuser und Frau Dr. Zeni, wird das China-Institut große Herausforderungen vor sich haben, wie das immer noch große Informationsdefizit abgebaut, die Verständigung und Freundschaft zwischen beiden Völkern gefördert wird, damit China, der größte Handelspartner Deutschlands in Asien seit 2002, und Deutschland, der größte Chinas in Europa seit 1975, heute und auch zukünftig im Zuge der fortschreitenden Globalisierung eine Win-Win-Perspektive anstreben können. Aber Sie sind dabei ganz und gar nicht alleine, weil Sie mit tatkräftiger Unterstützung der Frankfurter und der deutschen Wirtschaft rechnen dürfen und weil außerdem das hiesige chinesische Generalkonsulat Ihnen jederzeit gerne zur Seite steht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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