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Ansprache auf dem Empfang anläßlich des 58. Nationalfeiertages der Volksrepublik China

2007-09-28

Haiyan Li, Generalkonsul der VR China in Frankfurt

12.15 Uhr, den 27. Sep. 2007, Haus der Wirtschaft, Stuttgart

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrter Herr Landtagsvizepräsident Drexler,

sehr geehrte Mitglieder des Bundestags und Landtags,

sehr geehrter Herr Hoff, hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten,

sehr geehrte Frau Staatsrätin Prof. Dr. Hübner,

sehr geehrte Frau Bosch, Oberbürgermeisterin der Stadt Reutlingen, liebe Kolleginnen und Kollegen des baden-württembergischen und hessischen Konsularischen Corps,

meine Damen und Herren, liebe Freunde,

mit außerordentlicher Freude lade ich Sie heute alle in die König-Karl-Halle im Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg ein, um gemeinsam den 58. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China zu feiern. An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, meinen besonderen Dank aussprechen, daß Sie als Regierungschef des drittgrößten Bundeslandes trotz Ihres engen Terminkalenders meiner Einladung gefolgt sind und auch anschließend ein Grußwort sprechen werden. Ihre persönliche Teilnahme, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, spricht deutlich dafür, daß Sie dem Ausbau der bilateralen Beziehungen zu China große Aufmerksamkeit beimessen. Sie bedeutet für mich eine große Ehre, Beruhigung und Ermutigung, und bestärkt mich darin, daß es keine Fehlentscheidung war, den chinesischen Nationalfeiertag erstmals außerhalb von dem Ort zu feiern, wo das Generalkonsulat Chinas in Deutschland angesiedelt ist. Nicht zuletzt möchte ich auch alle Gäste, die ihren langen Weg von anderen Städten und Bundesländern in unserem Konsularbezirk trotz des Regens nach Stuttgart gefunden haben, herzlich willkommen heißen.

Meine Damen und Herren,

am 11. Oktober werden wir gemeinsam einen Moment von historischer Bedeutung begehen, nämlich das 35-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland. Rückblickend auf die zurückliegenden 35 Jahre kann jeder von uns feststellen, daß die Zusammenarbeit der 5 Bundesländer mit China, die in meinen Konsularbezirk fallen, in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Bildung und Fortbildung von Fachkräften usw. reiche Früchte getragen hat. Der Warenverkehr und die Kapitalanlagen sind hier nur 2 Beispiele dafür.

1972 betrug das chinesisch-deutsche Handelsvolumen nur 274 Mio. US$. Doch bereits im 3. Jahr nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen hat die Bundesrepublik die Führungsposition Englands als größter Handelspartner Chinas in Europa verdrängt. Seit 5 Jahren sind wir auch der größte Handelspartner Deutschlands in Asien. Im Jahr 2006 belief sich das Deutschlandgeschäft Chinas auf 78,2 Mrd. US$, was 290 mal so viel wie im Jahr 1972 ist und dem gesamten Handel der Volksrepublik mit Großbritannien, Frankreich und Italien entspricht. In den ersten 8 Monaten 2007 bezifferte sich der Export Chinas nach Deutschland auf 30 Mrd. US$ mit einer Zuwachsrate von 17,7% und der Import aus Deutschland nach China 28,7 Mrd. US$ mit einer Steigerung von 19,6%. Bis Ende Juli 2007 haben die deutschen Unternehmen in China für 5799 Projekte insgesamt 15 Mrd. US$ investiert, Deutschland ist damit weltweit der neuntgrößte Investor für China, zugleich auch der größte unter allen EU-Ländern in den letzten 5 Jahren. Die chinesischen Unternehmen haben auch angefangen in Deutschland zu investieren. Gegenwärtig haben sich etwa 2000 chinesische Firmen in Deutschland niedergelassen und eine große Zahl von Ortskräften beschäftigt. Bis vor 5 Jahren hat die deutsche Wirtschaft die meisten Technologietransfers an China getätigt, dann allerdings diese Position an die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan abgegeben. Während des Reformprozesses in China seit 1979 profitiert die ganze Welt einschließlich der deutschen Wirtschaft und der deutschen Konsumenten vom chinesischen Aufschwung. Die preiswerten chinesischen Produkte haben dazu beigetragen, daß Deutschland eine niedrige Inflationsrate über lange Jahre beibehalten konnte. Das Land Baden-Württemberg hat im letzten Jahr Waren im Wert von 4,643 Mrd. Euro nach China geliefert, also 495mal so viel wie im Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Nahezu 600 baden-württembergische Unternehmen haben in China investiert, und 180 davon befinden sich in den Partnerprovinzen Jiangsu und Liaoning.

Meine Damen und Herren,

Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Beim Wassertrinken darf man diejenigen nicht vergessen, die den Brunnen ausgegraben haben." Daß die chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen das heutige Niveau so schnell erreicht haben, hängt es eng zusammen einerseits mit der stetigen Kooperation mit der deutschen Wirtschaft, und andererseits mit der sorgfältigen Pflege der notwendigen politischen Grundlagen dafür durch die Bundesregierung. Bedauerlicherweise hat das Performence der deutschen Politiker neuerdings in Berlin und Wiesbaden das Deutschlandbild vieler Landsleute von mir einigermaßen verändert und auch ihren Vertrauenschutz gegenüber den deutschen Politikern erschüttert. Als strategische Partner könnten wir beide Länder eigentlich die bestehenden und bewährten Dialogsmechanismen problemlos nutzen, um Gedanken offen auszutauschen und die Meinungsverschiedenheiten zu verringern. Druck und Konflikt in der Öffentlichkeit nützen und helfen gar nicht und werden schließlich dazu führen, daß die eigenen Interessen beschädigt werden. Ich gehe davon aus, daß Politiker der beiden Seiten weitsichtig, weise und auch mutig genug sind, um mit vernünftigem Wort und Tat die Irritationen und Belastungen für die bilateralen Beziehungen so schnell wie möglich abzubauen und zu beseitigen.

Meine Damen und Herren,

der Internationale Währungsfond hat im Juli eine Studie veröffentlicht mit der Bemerkung, daß China als weltweit viertgrößte Volkswirtschaft im kommenden Jahr den diesjährigen Exportweltmeister Deutschland überholen könnte. Meines Erachtens bedeutet das keinen Weltuntergang. Dazu hat der BGA-Präsident Anton Börner zutreffend gesagt: „Es gilt der Grundsatz: Je reicher unser Kunde, desto besser unser Geschäft! Wenn China Exportweltmeister wird, ist das völlig normal bei 1,3 Mrd. Einwohnern. Bei uns leben 82 Mio. Menschen, wir machen aber pro Kopf wesentlich bessere Auslandsgeschäfte. Unser Export wird mit der durchschnittlichen Rate der vergangenen 50 Jahre von sechs bis sieben Prozent weiterwachsen – Weltmeistertitel hin oder her. Und das ist gut für das Land: Es gibt mehr Arbeitsplätze. Not macht erfinderisch, Reichtum macht faul. Die deutschen Unternehmen haben in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen, daß sie mit Krisen gut umgehen können – weil sie sie als Herausforderung begreifen und diese annehmen." Aus diesen Gründen ist es für die deutsche Wirtschaft überhaupt nicht notwendig, China zu fürchten. Die Überreaktion in der deutschen Presse entbehrt auch jeder Grundlage. Zwar wurde die Produktion deutscher Unternehmen teilweise nach China verlegt, jedoch sind die Arbeitsplätze in Deutschland dadurch nicht weniger geworden. Im Gegenteil: durch den Marktausbau in China und die volle Beteiligung Deutschlands an der internationalen Arbeitsteilung wird die deutsche inländische Beschäftigung stabil erhöht. Und diese Tatsache wird jeweils durch Daten einer vor einem Jahr durch die Bundesbank angefertigten Untersuchung und die vom Statistischen Bundesamt jüngst veröffentlichen Angaben belegt. Die Studie des Ifo-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums vor zwei Monaten vertritt vielmehr die Auffassung, daß die deutsche Wirtschaft den Technologietransfer auf freiwilliger Basis nach China fortsetzen sollte, um ihren Anteil auf dem chinesischen Markt ausbauen zu können. Als eine der wichtigsten „Werkbänke der Welt" werden allerlei Produkte in China für die ganze Welt hergestellt, während der Energieverbrauch in China geblieben ist und die Emission von Treibhausgasen auch dem Reich der Mitte gutgeschrieben ist. Ebenfalls sollte China auch nicht zum Prügelknaben werden für die Preiserhöhung der Milchprodukte auf dem deutschen Markt. Zum einen fehlt im Körper der meisten Chinesen das notwendige Ferment zur Milchverdauung. Wir bekommen Magenschmerzen davon. Zum anderen weisen die statistischen Zahlen aus Wiesbaden darauf hin, daß vom Januar bis Juli im laufenden Jahr fast 90% der deutschen Milchprodukte in die anderen EU-Ländern gegangen sind, während der Export nach China und Indien zusammen nur 0,1% ausmacht. Es gab mal Zeiten, wo die Deutschen sich Sorgen vor der ökonomischen Konkurrenz durch Japan und Korea machten. Nun sind 20, 30 Jahre vergangen, und die deutsche Automobilindustrie verfügt immer noch über 69,4% des heimischen Marktes, und zwar mit den meisten Patenten, besserer Qualität sowie einer verstärkten Konkurrenzfähigkeit. Die Verhältnisse sind keineswegs umgekehrt worden.

Meine Damen und Herren,

es ist auch in China nicht alles Gold, was glänzt. China hat binnen 30 Jahren einen Entwicklungsweg zurückgelegt, der andere Industrienationen ein ganzes Jahrhundert gekostet hat. Die ernsthaften Herausforderungen und Problemstellungen, die eine solche Entwicklung mit sich bringt, wie etwa Umweltschutz, Entwicklungsbalanzierung zwischen den Regionen und soziale Gerechtigkeit etc. sind auch alle binnen 30 Jahren konzentriert in China aufgetaucht. Wir sind uns ganz klar bewußt: es bleibt noch ein langer Weg zu gehen, damit China das Niveau eines mittelentwickelten Landes erreichen kann. Das Allerwichtigste besteht darin, damit meine ich nicht nur mein Heimatland, daß man sich auf seine eignen Hausaufgaben konzentriert, ohne sich vom Tempo der anderen beeinflussen zu lassen, indem wir mit allen Kräften die Produktivität steigern, die soziale Gerechtigkeit fördern, eine ressourcensparende und umweltfreundliche Gesellschaft aufbauen und an der nachhaltigen Entwicklung festhalten. Ich bin zuversichtlich, daß es zentrale Themen auf dem 17. Parteitag im Oktober und Kernaufgaben der neuen Regierung, die im kommenden März gebildet wird, sein werden, die marktorientierte Wirtschaftsreform und die Reform des politischen Systems mit Entwicklung der sozialistischen Demokratie als Ziel weiter tatkräftig voranzutreiben, denn ohne politische Reform wäre die wirtschaftliche Reform zum Scheitern verurteilt. Die Chinesen wollen und können auch wie die Schwaben „Schaffe, schaffe, gemeinsames Häusle baue!" Und das Häusle der chinesisch-deutschen Kooperation sollte nicht nur größer und besser, sondern auch umweltfreundlicher und energiesparender gebaut werden.

Meine Damen und Herren,

die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und den 5 Bundesländern in unserem Konsulargebiet hat angesichts des enormen Entwiclungspotenzials eine vielversprechende Zukunft. Um hier nur einige Beispiele zu nennen: in den letzten 10 Jahren hat China für Umweltschutz umgerechnet 100 Mrd. Euro eingesetzt, bis zum Jahr 2010 werden noch weitere 130 Mrd. Euro investiert werden. Wäre ich der chinesische Ministerpräsident, so würde ich vielleicht Herrn Gabriel zum Umweltminister in Beijing ernennen, allerdings unter der einzigen Voraussetzung, daß er nämlich keinen Ausstieg aus der Atomenergie anstrebt. Wir führen die deutsche Kernkrafttechnologie gerne ein, um die Handelsbilanz auszugleichen und die Emissionen zu verringern. Momentan hat die erneuerbare Energie in China einen Anteil von weniger als 7%, er wird im Jahr 2010 bei 10% liegen, und das angestrebte Ziel für 2020 sind 16%. Die Baufläche mit Anwendung von Energieeinsparungstechnologie macht in den Städten nur 7% aus. Bis zum Jahr 2020 wird die Gesamtinvestition Chinas im Energiebereich einschließlich erneuerbarer Energie und Energieeinsparungstechnologie eine Höhe von 1,8 Billionen Euro erreichen. Ich hoffe, daß die ausgereiften Technologien der deutschen Industrie für Umweltschutz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien auch in Deutschland Anwendung finden können, bevor sie den chinesischen Markt erobern. Vielleicht hat man hierzulande mehr Zeit, um erst 10 Jahre nach Shanghai auch eine kurze Strecke von Transrapid in München zu bauen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es ist eigentlich schade, daß es Ihnen nicht möglich war, eine Delegation nach China wie geplant noch in diesem Herbst zu leiten. Bei uns sagt man: „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören." Ich hoffe aufrichtig, daß Ihre erste China-Reise im kommenden Jahr erfolgen kann. Sie werden nicht nur Amtskollegen in den Partnerprovinzen kennenlernen, auch in Peking werden Sie ein willkommener Gast sein. Als Ehrengast werden Sie Ihr Visum kostenlos bei uns ausgestellt erhalten, ohne persönlich in Frankfurt interviewt zu werden.

Mit dieser Einladung und diesem Angebot darf ich Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, zum Wort bitten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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